Zugegeben, ich hatte mir von „Metalhead“ irgendwie etwas anderes erwartet: Aus irgendeinem Grund war ich davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine Doku à la „Full Metal Village„, „Metal – A Headbanger’s Journey oder „Metal Evolution“ handelt. Doch weit gefehlt: „Metalhead“ ist ein isländisches Coming-of-Age-Drama, in dem ein junges Mädel nach dem Unfalltod ihres Bruders den Boden unter den Füßen verliert und nur im Metal Halt findet.
Heile Welt auf einem isländischen Bauernhof im Jahr 1982: Die 12-jährige Hera spielt mit ein paar Freunden und ihr älterer Bruder Baldur fährt mit dem Mähdrescher das Feld ab. Als Hera ihm zuruft, er möge doch zum Mittagessen kommen, nimmt der Tag jedoch eine tragische Wendung: Baldur (der – ich schwöre! – aussieht wie der Sänger der genialen isländischen Retro-Rock-Truppe The Vintage Caravan) stolpert, fällt, verfängt sich mit seiner langen Matte im Mähdrescher und wird bei lebendigem Leibe skalpiert. Eine Tragödie, die die heile Familie völlig aus der Bahn wirft. Während sich Vater und Mutter mehr und mehr voneinander entfremden, verbrennt Hera ihre Mädchenklamotten, taucht immer tiefer in die Plattensammlung ihres Bruders ein wird schließlich zum Metalhead.
Immer wieder versucht das traumatisierte Mädchen, sich mit Baldurs Gitarre unterm Arm aus dem Staub zu machen und die isländische Einöde hinter sich zu lassen, doch auch diverse Jahre später lebt Hera immer noch bei Mama und Papa auf dem Bauernhof und weiß nicht, wohin mit ihrem Leben. Sind es zunächst noch Sabbath, Maiden oder Metallica, taucht sie nach einem Fernsehbericht über angezündete norwegische Kirchen schließlich in die Black-Metal-Szene ab und komponiert als Einfrau-Armee finstere Schwarzmetall-Songs.
Ausgerechnet in einem Priester findet sie schließlich einen Seelenverwandten, doch als der ihre Avancen abwehrt, trifft das Black-Metal-Girl eine folgenschwere Entscheidung.
Zunächst mag die Story von „Metalhead“ nicht sonderlich spektakulär klingen, doch die bis dato relativ unbekannte Hauptdarstellerin Thora Bjorg Helga verleiht der gebrochenen jungen Seele eine Intensität, die tief unter die Haut geht. Letztlich zeigt „Metalhead“ die Rebellion eines Teenagers gegen das spießige und gefühlskalte Elternhaus – und die Ausdrucksform der Rebellion ist in diesem Fall eben das Metaltum.
Zu den starken darstellerischen Leistungen gesellen sich wunderbar intensive Bilder vom wunderschön kargen Island und ein mitreißender Hit-Soundtrack, der von Megadeth über Priest bis hin zu Savatage und Sólstafir reicht.
Will heißen: „Metalhead“ ist ein intelligentes Drama über die schwierige Jugend einer isländischen Bauerstochter – und zugleich ein inspirierender Film über die kathartische Kraft des Metals.
Metal regiert, sage ich!
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