Interessanter Ansatz der Kriminalitätsbekämpfung: Einfach einen Tag im Jahr jedwedes Verbrechen erlauben, ja sogar befürworten. Damit sich die Straßen selbst säubern mögen! Im Amerika des Jahres 2022 ist dieser alljährlich „Purge Day“ fest von den „Neuen Gründungsvätern der Nation“ institutionalisiert worden: An jedem 7. Juni herrscht von 19 Uhr abends für zwölf Stunden lang straffreie Anarchie. Und während sich die Armen gegenseitig abschlachten, hocken die Vermögenden in ihren abgeschotteten Festungen und sitzen die angeblich kathartische Selbstsäuberung der (unteren Teile der) Gesellschaft aus.
Einer dieser Gutbetuchten ist Sicherheitsanlagen-Verkäufer James Sandin (Ethan Hawke), der ironischerweise dadurch zu Reichtum gekommen ist, dass er seine vermögende Nachbarschaft mit den zuverlässigsten Schutzanlagen ausgestattet hat. Um kurz vor sieben riegelt auch er sein hübsches Häuschen ab und will sich mit Frauchen Mary (Lena Headey, Queen Cersei aus „Game Of Thrones„), der bockigen Teenie-Tochter Zoey und dem verschreckten Sohn Charlie einen schönen Abend machen. Vielleicht ne DVD gucken oder so. Statt einem gemütlichen Familientreffen erwartet ihn jedoch die Hölle auf Erden: Als plötzlich ein um Hilfe flehender Mann vor der Tür steht, der von einem Mob verfolgt wird, öffnet das mitleidige Söhnchen fatalerweise kurz das Panzertor. Dann taucht auch noch Zoeys Freund im Haus auf, den Papa gar nicht leiden kann, und die Lage eskaliert.
Die Prämisse von „The Purge“ wirft interessante gesellschaftliche Fragen auf: Wen würdest DU umnieten, wenn es ausnahmsweise erlaubt wäre? Würdest du überhaupt jemanden umnieten? Und wenn du kriminelle Gelüste hättest, wären diese zwölf Stunden Katharsis dann tatsächlich ausreichend, um den Rest des Jahres gesetzeskonform zu leben? Was für eine Gesellschaft soll das sein, in der nur die Stärksten, Ruchlosesten und Reichsten überleben? Wird es in der Zukunft eine blutige Renaissance des Darwinismus geben? Schade, dass der Film sein spannendes Potenzial nicht konsequent ausschöpft und sich stattdessen zu einem (freilich recht guten) Home-Invasion-Thriller à la „The Strangers“ oder „Funny Games“ entwickelt, in dem plötzlich ein paar (von „Clockwork Orange“ inspirierte?) sadistische Yuppies vor der Tür stehen. Wie der da:
Atmosphärisch kann „The Purge“ punkten, und auch Ethan Hawke gefällt als vom Purge-Gedanken überzeugter Schnösel, der eine schmerzhafte Läuterung erfährt. Wenn man die Handlung nicht nur auf den Mikrokosmos des einen Hauses beschränkt hätte, wäre vielleicht noch ein bisschen mehr drin gewesen, aber wer sich damit anfreunden kann, „nur“ einen gut gemachten Home-Invasion-Schocker mit perfidem Twist und interessantem sozialkritischen Unterbau zu sehen, den wird dieser US-Kassenhit sicher nicht enttäuschen.
KINOSTART: 13. Juni
Und hier der Trailer:
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