In Deckung! Keanu Reeves ist zurück und rächt sich wie ein Besessener durch die Reihen seiner bemitleidenswerten Gegner. Im knüppelharten Bodycount-Thriller „John Wick“ beweist der Kanadier endlich mal wieder Action-Qualitäten – inhaltlich ist der Film zwar stumpf wie ein Löffel, aber die fantastische Inszenierung lässt das schnell in den Hintergrund rücken. Und sowieso: Wer braucht eine Handlung, wenn einem die Action den Hypothalamus wegballert?
Ach, Iosef, was machst du nur…?!
Es gibt so Typen, mit denen legst du dich einfach nicht an. Iosef Tarasov, Sohn von Gangsterboss Viggo (Michael Nyqvist aus den schwedischen „Millennium“-Filmen), hätte eigentlich wissen oder zumindest ahnen müssen, dass John Wick einer von diesen Typen ist. Doch statt den Mann einfach den 69er Mustang volltanken und seiner Wege ziehen zu lassen, pöbelt er ihn an der Tanke an und steht nachts mit seiner Russengang im Wohnzimmer des noblen Wick-Anwesens. Nachdem die Gangster den überraschten Wick halbtot geschlagen haben (merke: einen John Wick besser immer GANZ totschlagen), klaut Iosef seinen Wagen und nimmt ihm zu allem Überfluss auch noch das Einzige, das Wick auf dieser Welt noch etwas bedeutet. Und das ist nicht viel – schließlich ist vor kurzem seine geliebte Frau gestorben, die ihn vor ein paar Jahren auf den Pfad der Tugend zurückgebracht hat.
Pfad der Tugend? Auf welchem Pfad war der Typ denn vorher unterwegs?! Ganz einfach: John Wick war der härteste Profikiller von allen. Stell dir den besten Hitman vor, den du dir vorstellen kannst. Hast du? Alles klar: John Wick braucht etwa fünf Sekunden, um den plattzumachen. Tatsächlich stand Wick seinerzeit sogar bei Viggo Tarasov höchstselbst in Lohn und Brot, und als dieser von der dummen Aktion seines Sohnes erfährt, würde er diesem am liebsten gleich selbst eine Kugel zwischen die Augen setzen – das wäre für alle Beteiligten die einfachste und schmerzfreiste Lösung. Stattdessen versucht Viggo, die Wogen zu glätten – doch zu spät: John Wick hat längst das Kriegsbeil in Form eines einbetonierten Waffenarsenals in seinem Keller ausgegraben und begibt sich auf einen epischen Rachefeldzug.
Und an allem ist nur der dämliche Iosef Schuld. Was allerdings kein Wunder ist – schließlich wird dieser von keinem Geringeren als Theon Graufreud alias Reek (oder wie auch immer er auf Deutsch heißen mag – aus Spoilerangst traue ich mich nicht, das zu recherchieren) alias Alfie Allen gespielt! Und der trifft ja schon in „Game Of Thrones“ nicht die allerbesten Entscheidungen, um es mal vorsichtig zu formulieren.
Ein Film gewordener Shooter
Die Story ist wie gesagt so simpel, wie sie simpler nicht sein könnte – die Mär vom geläuterten Killer, der wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt, birgt zwar ziemlich viel Potenzial, geht bei „John Wick“ aber (anders als beispielsweise in „The American“ mit George Clooney) in einem Meer aus Kugelhagel, Nahkampffights und Explosionen unter. Was in diesem Fall aber sowas von Wurst ist! In bester Shooter-Manier tankt sich der anfangs naturgemäß etwas eingerostete, aber immer mehr zu Höchstform auflaufende Wick durch die klischeehafte Russenmafia – manchmal hat man tatsächlich das Gefühl, sich in einem Film gewordenen Videospiel zu befinden, in dem man Keanu Reeves durch seinen blutigen Rachefeldzug manövriert.
Es ist vor allem die elegante, stylishe Inszenierung, die „John Wick“ von gängigen Action-Thrillern unterscheidet: Dermaßen intensiv, realistisch und erbarmungslos wurde selten ein Blutbad auf der Leinwand angerichtet – man merkt, dass Regisseur-Neuling Chad Stahelski und sein Regie-Kompagnon David Leitch ursprünglich aus dem Stunt-Gewerbe kommen. Die Fight-Choreografien sind unglaublich rasant umgesetzt und erinnern an große Vorbilder aus dem Hongkong-Actionkino wie beispielsweise John Woo.
Auch die Besetzung ist übrigens ziemlich gelungen: Neben den bereits erwähnten Darstellern finden sich in Nebenrollen Willem Dafoe („Nymphomaniac“), Ian McShane („Hercules„, „Fluch der Karibik“) und Adrianne Palicki (Bobbi aus „Agents of S.H.I.E.L.D.„) als eiskaltes Hitgirl.
Fazit
Endlich liefert Keanu Reeves mal wieder einen starken Actionfilm ab – „47 Ronin“ ging ja auf keine Kuhhaut. Wer auf handfeste Nachkampf- und Baller-Action steht, ist hier genau richtig. In puncto Rhythmus und Ästhetik setzt „John Wick“ neue Maßstäbe im Hitman-Genre und erinnert in seiner düsteren Inszenierung ein wenig an Kollegen wie „Jack Reacher“. Dass die Handlung ziemlich eindimensio(ba)nal ist, interessiert angesichts dessen doch keine Bleibohne!
Ein zweiter Teil ist dank des starken Einspielergebnisses (die 20 Millionen Dollar Budget hat „John Wick“ fast vervierfachen können) bereits in Arbeit – und das ist auch gut so!
Der Trailer