Nachdem ich Kadavars selbstbetitelte Debüt-Scheibe schon seit Wochen anpreise und jedem, der nicht bei Drei auf den Bäumen ist, aufschwatze, ergab sich endlich die Chance, die drei Typen aus Berlin live zu erleben. Am 25.3. sollte Kadavar zusammen mit den Franzosen von Aqua Nebula Oscillator, mit denen sie ein paar Tage auf Tour waren, und Kyrest in der Baracke in Münster spielen. Eigentlich finden dort nur kleine Punk- und Hardcore-Shows statt und so kann man sich auch erklären, wieso Kyrest mit auf dem Bill waren.
Die vier Jungspunde aus Erlangen eröffneten den späten Nachmittag (die Show war für 17 Uhr angesetzt), wie es sich für die Baracke gehört, mit einer ordentlichen Portion Krawall. Crust und D-Beat stand bei ihnen auf dem Programm. Das war zwar ganz ordentlich gespielt, aber nur mäßig originell. Außerdem wollte der Sound nicht wirklich zu dem Sonnenschein passen, der alle Leute aus dem abgedunkelten Raum immer mal wieder vor die Tür lockte.
Ganz anders sah es da schon bei Aqua Nebula Oscillator aus. Nicht nur, dass der Vierer, dem Aussehen nach, so auch locker Ende der 60er im Filmore oder Whiskey a Go Go hätte spielen können, klangen sie auch noch wie eine heftige Mischung aus Monster Magnet und den Doors. Anfängliche Soundprobleme waren schnell vergessen und nach fünf Minuten fühlte man sich aus der Zeit gerissen, eingehüllt in eine Wall of Sound mit minutenlangen Jams und gelegentlichen Orgeleinsätzen.
Bei so einer Musik kann man verstehen, wieso LSD damals die Droge der Wahl war. Das einzige Problem war, dass das etwas zu drogig für einen entspannten Sonntagabend war. Schließlich war ich für Kadavar da.
Und wie sich herausstellte, war Aqua Nebular Oscillator die perfekte Vorband für Kadavar. Noch von den hippiesken Sound-Eskapaden der Vorband eingelullt, trafen einen die Eröffnungsriffs der Hauptband wie ein Hammer vor den Kopf und das ganze Geheimnis einer erfolgreichen Hardrockband wurde offensichtlich: es ist das Riff! Erinnert sich jemand an das erste Mal, als er AC/DC gehört hat? Das einfache Gitarrenriff, das die persönliche Wahrnehmung von Musik für immer verändert? Diesen Moment erlebte ich dort wieder. Und nicht nur ich.
Die Kids in den Iron Maiden-T-Shirts vor mir schrieen sich nach dem ersten Stück nur an: „Meeegageil, Alder, megageil!“ und holten die nächste Rutsche Bier. Selbst diejenigen, die wegen Kyrest gekommen waren, standen mit offenen Mündern vor der Bühne. Sie sind auch einfach eine Schau. Wie schon Aqua Nebular Oscillator sehen sie aus, als wären sie aus der Zeit gefallen: lange Haare, Bärte, Fransenjacken, Klimperketten, etc.. Sie sind in ihrem Sound aber wesentlich reduzierter, gleichzeitig aber auch wesentlich durchschlagskräftiger.
Als Vergleich fällt einem natürlich sofort Black Sabbath zur Ozzy-Ära ein. Led Zeppelin und Hawkwind liegen auch nah. Wer will hört auch Wolfmother (um mal einen etwas aktuelleren Bezug herzustellen) oder Monster Magnet heraus. Das klingt auf Papier leidlich originell, ist in Wahrheit aber der Kulminationspunkt, auf den all die Jahre Hardrock hingedeutet haben.
Kadavar konzentrieren sich auf das Wesentliche und bringen die Sache auf den Punkt. Kein Stück dauert länger als nötig, die Soli werden nicht unnötig in die Länge gezogen, um zu zeigen, was für ein Hengst man an der Gitarre ist. Der Punkt wurde nämlich schon mit dem Eröffnungsriff klar gestellt. Dazu gibt es mit Christoph „Tiger“ Bartelt den, meiner Meinung nach, besten Schlagzeuger zurzeit zu bewundern. Wenn Jim Henson vor Ort gewesen wäre, hätte er „Tier“ aus der Muppet-Show noch einmal neu erfinden müssen. Bisher kannte ich Christoph nur von Auftritten mit seiner Brutalst-Noise-Kapelle Noem, bei denen er schon alles wegsemmelt. Aber im Kadavar-Umfeld bleibt mehr von seinem Können übrig. Die rund hundert Leute in der Baracke können sich glücklich schätzen, dabei gewesen zu sein. In so intimem Rahmen bekommt man die Jungs nicht mehr zu sehen. Soviel ist sicher.
Kurzum: All die Vorschuss-Lorbeeren für das Trio sind vollkommen berechtigt und es wundert einen nicht mehr, dass bereits vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin die zweite (!) Pressung ihrer LP ausverkauft war (wird nachgepresst und CD kommt auch noch). Für mich momentan die beste „Rock“-Band, die es gibt. Ja, ich bin Fan.
Video von Kadavar: