Die EMP Plattenkiste im milden Wintermonat Juni. Zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen. Da kratzt das Thermometer doch hier und da im einstelligen Bereich rum, der Regen gibt einem den Rest und man muss sich die Frage stellen, was denn dieser Sommer nun will. Irgendwie ist er aktuell noch sehr durchwachsen. Ähnlich durchwachsen ist auch diese Woche wieder die Plattenkiste. So treffen Hardcore auf Goth-Rock um dann von einer Deathcore-Band die letzte Brise Salz zu bekommen. Wir haben uns wieder Mühe gegeben und die Highlights der Woche zusammen gestellt. Schaut rein, lasst euch inspirieren und wir starten nun los mit der EMP Plattenkiste für den 26. Juni 2015.
Wir wollen nicht lange rumreden sondern euch direkt mit Cut Up eine Band ans Herz legen, welche mit Tobias Gustafsson und Erik Rundqvis zwei alte Gesichter zeigt. Waren die beiden Jungs doch schon bei Vomitory am Werke und haben sich dem Death Metal verschrieben, so muss man nicht denken, dass Cut Up ein herzerweichendes Werke ist. „Forensic Nightmares“ ist das erste Lebenszeichen – in diesem Falle auch als Todeszeichen zu verstehen – was nach dem Aus von Vomitory zur Gründung 2014 führte. 11 Songs entstanden, welche besonders Freunde der Vorgängerband heiß machen wird. Aber auch mit technisch versierten Riffs welche an Slayer erinnern, können Cut Up sich aus dem Todesschwadron der Bands hervor heben. Cut Up arbeiten über die Spielzeit des Werkes mit einer Berg- und Talfahrt in Bereich „Tempo“, was letztendlich zu einer Zunahme der Intensität der Songs führt. Cut Up legen ein sehr starkes Debüt vor und wenn man im Hinterkopf hat, dass Sänger Andreas Björnson bis dato nicht am Musikhorizont erschienen ist, dann muss man ehrfürchtig den Hut ziehen.
August Burns Red unterliegen einem Zwang. Alle 2 Jahre muss ein neues Album her und anscheinend ist es den Herren egal, wenn man ihnen auch mal eine längere Auszeit gönnen würde. „Nein, nicht nötig und hier bitte, „Found In Far Away Places“ steht bereit“, schallt es aus Pennsylvania. August Burns Red schaffen es seit 2005 immer wieder ein Stückchen besser zu werden. Wo andere Bands aus diesem Bereich zu einer Einheit werden und in der Belanglosigkeit verschwinden, stechen ABR raus. Progressive Elemente, ein bisschen Thrash hier und da und natürlich messerscharfe Riffs, ohrenbetäubende Beats und filigrane Gitarrenarbeit. August Burns Red lassen sich auch dieses Mal nicht zweimal zum Tanz bitten. Streicher karrt man an, Trommeln werden aufgefahren, was „Found In Far Away Places“ ungemein bereichert, aber sicher nicht plump erscheinen lässt. Auch ist wieder positiv zu erkennen, dass die christliche Band ihre Weltanschauung nicht auf einem Tablett durch die Gegend trägt und eine Art Kreuzzug praktiziert. August Burns Red bleiben ihren Trademarks treu, entwickeln sich weiter und werden mit diesem Album definitiv für sprachlose Gesichter sorgen. Eine fette Kiste!
Wer Deathcore spielt, muss abliefern. In kaum einem Genre liegt die Messlatte derart hoch um eine Band zwischen „Witz“ und „Kult“ zu klassifizieren. Unbeirrt dieses Drucks spielen Thy Art Is Murder mit „Holy War“ ab jetzt in der Klasse „Gottstatus“ und dies ohne jeden Zweifel. Kaum ein Album wurde derart dieses Jahr erwartet und kaum ein Album wird den Erwartung dermassen gerecht. Keinerlei Kompromiss, jede Menge Hass und tightes Zusammenspiel vom ersten bis zum letzten Anschlag. „Naked And Cold“ oder auch „Emptiness“ kann man geradezu als Stellvertreter des kompletten Albums „Holy War“ nehmen um aufzuzeigen, dass mehr kaum nicht machtbar ist. Man durchlebt einen „Wow“-Effekt nach dem anderen, sucht nach Worten und packt die alten Gedanken, dass „Deathcore“ im Allgemeinen nun Geschichte ist, wieder ganz schnell weg. Thy Art Is Murder haben mit diesem Album ihren Meilenstein geschaffen. Ein Album, welches auch noch in ein paar Jahren gehört wird und in etwa so wichtig ist, wie „Reign In Blood“ für Slayer. Ein Biest vor dem Herrn, welches man sich definitiv nicht entgehen lassen sollte.
To/Die/For schlagen musikalisch in eine andere Kerbe, wie es die bisherigen Kandidaten tun. Aus Finnland kommend, konzentriert sich die Band auf eine Mischung aus Rock und Goth, was nun schon seit 1999 zum Besten gegeben wird. Lange Bandgeschichte bedeutet zwangsläufig nicht immer, dass eine Band ein Gütesiegel verdient, was aber bei To/Die/For definitiv zu vergeben ist. Die eigenwillige und markante Mischung aus den beiden musikalischen Lagern, das Gespür für Harmonie und epische Momente ist doch so nicht jeder Band zu attestieren. Nun schaffen To/Die/For mit „Cult“ auch noch Ohrwurm-Hits, was den 8 Songs eine perfekte Abrundung verschafft. Musikalisch in allen Punkten versiert und mit Jape Perätalo durch einen begnadeten und markanten Sänger komplettiert, muss man To/Die/For definitiv auf dem Schirm haben, wenn dies noch nicht geschehen sein sollte. Wir legen euch das Album definitiv ans Herz.
Es ist wohl das meist erwartete Comeback-Album des Jahres. Inn vielerlei Hinsicht, denn Refused haben den Fehler gemacht, ihrer damaligen Auflösung ein Manifest hinterher zu schieben, was die Sache wohl endgültiger machen sollte. Der Hardcore wurde regelrecht zu Grabe getragen, denn kaum eine Band hat ihn so revolutioniert wie es eben Refused damals getan haben. Nach einer Wiedervereinigung auf der Bühne folgt nun ein Album mit dem Namen „Freedom“. Doch kann man einem Braten trauen, der 1998 irgendwie schon entsorgt wurde. Stinkt die Sache nicht derbe bis zum Himmel? Irgendwie schon – zumindest bis zu der Sekunde als „Freedom“ mit „Elektra“ Fahrt aufnehmen soll. „Verdammte Axt, sie haben mich wieder“ schreit man direkt in den ersten 10 Sekunden und freut sich ein Loch in den Bauch. Markant wie Refused eben schon immer waren und mit einer gewissen Reife ausgestattet, entwickelt sicher der Opener direkt zum Ohrwurm. „Old Friends/New War“ wirkt befremdlich und mit seiner Akustik-Gitarre geradezu deplatziert. Doch man merkt schnell, dass Revolution, Gewalt und Protest nicht immer mit Härte in Verbindung gebracht werden sollte. „Dawkins Christ“ fetzt von vorne bis hinten und lässt den Vorgänger „The Shape Of Punk To Come“ aufleben. Ja, Lyxzén kann es noch. Diese markerschütternde Schreien, das nach Vorne peitschen und den Wahnsinn durchblitzen lassen. „Destroy The Man“ steht der Sache in keinem Moment nach und selbst der ruhige Schlusssong „Useless Europeans“ fasziniert, denn die Message liegt in den Texten. Das war bei Refused schon immer so, jedoch haben es die wenigsten damals wahrgenommen. Ein direkter Vergleich zum Vorgänger ist schwer und man würde „Freedom“ Unrecht tun. Was damals geschah, was damals ins Leben gerufen wurde und für was damals Refused standen, sollte nicht ins Jahr 2015 projiziert werden. Refused können nun ihr Chaos kontrollieren und ein Album wie „The Shape Of Punk To Come“ schreibt man nur einmal in seinem Leben. „Freedom“ erfüllt alle Erwartungen um Längen. „Freedom“ ist ein ehrliches Album mit einer wahnsinnigen Attitüde und Refused zeigen auch nach ihrer langen Auszeit, dass sie eine der wichtigsten Bands für den Hardcore sind. Wenn nicht sogar die wichtigste!