Zugegeben, die Nervosität meinerseits war enorm, als Garbage die Meldung raushauten, dass man mit einem neuen Album rechnen kann. „Strange Little Birds“ soll der Name sein, welcher an Deutungen sicherlich alles hergab. Musste man von einem fröhlichen Album ausgehen? Marschierte die Band um Produzent Butch Vig wieder Richtung Anfangstage, als die Welt doch noch so schön dunkel, verdorben und verfahren war? Als man sich perplex diese Band angeschaut hat und nicht genau wusste, ob man nun tanzen oder die Rasierklingen auspacken sollte. Man konnte gespannt sein!
Shirely Manson verliert keine großen Worte und macht direkt mit den ersten Zeilen klar, dass Witzigkeit im Sinne von Hape Kerkeling hier nicht vorzufinden ist. „Sometimes I’d rather take a beating…I learn more when I am bleeding“ ist unmissverständlich zu verstehen und der Opener „Sometimes“ drückt schon direkt auf das Gemüt. Friede, Freude und eine Portion Eierkuchen kann man hier nicht erwarten. Aber wir erinnern uns gerne an das Debüt „Garbage“ aus dem Jahre, als Madame Manson bereits mit „Only Happy When It Rains“ ihre tendenzielle Grundstimmung ausdrückte. Damals noch etwas grün hinter den Ohren, schenkte man ihr vielleicht nicht das nötige Gehör, was sich geändert haben sollte. Mit mittlerweile 49 Jahren – aber sicherlich nichts an Ausstrahlung und Sexappeal eingebüßt – hängt man der Schottin geradezu an den Lippen. Manson ist verzweifelt, voller Kälte und dies will sie unverblümt kanalisieren.
„I am so empty“ legt sie nach, wenn der zweite Song „Empty“ in den Refrain geht. Was ist los Frau Manson? Unser letztes persönliches Treffen zum Vorgänger war gezeichnet von Witzen, Lachen und einem ausgeglichenen Gespräch über vergangene Tage, einhergehenden Fehler, provokanten Aussagen und dem Eingeständnis, dass man hier und da doch über das Ziel hinausgeschossen sei. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Shirley mit sich im Reinen ist und das Leben rundherum ihr das gibt, was sie benötigt. Pustekuchen, wie man hier erleben darf.
Spätestens bei „Blackout“ und dem griffen Riff von Gitarrist Steve Marker sind die Dämme gebrochen: Man muss dieses Album laut hören um es intensiv zu erleben. Sei es die fragile Stimme von Manson, dem besagten Riff oder der Ansammlung von elektronischen Elementen, die eben nur Garbage so einzigartig einbauen können. Diese Gänsehaut-Momente in denen man das sanftmütige Stimmchen geradezu in seinem Nacken spüren kann, bevor sich die (musikalischen) Fingernagel in das Fleisch des Hörers kratzen. Und immer wieder diese Stellen, die einen um den Verstand bringen und gleichzeitig aufzeigen, dass Garbage weit entfernt von Normalität sind, was Gefühle, Beziehungen und Emotionen sind. „Even Though Our Love Is Doomed“ attestiert, dass Liebe eine komische Sache ist und letztendlich die Halbwertszeit einer Tagesfliege hat. „Even though our love is doomed“ hier „I stop myself from trying to touch you“ bei „ Magnatized“.
Garbage definieren sich mit dem 7. Album „Strange Little Birds“ völlig neu um im gleichen Atemzug ihre alten Ansichten und Definitionen aufleben zu lassen. Weit entfernt von einem Suizidaufruf, aber mit dem Grundtenor, dass man als Verliebter früher oder später eh gegen die Wand fährt, wird die Message auf den Punkt gebracht. Tiefschwarz und absolut betörend. Wer den Film Dogma kennt, der wird sich eventuell an das folgende Zitat von Loki erinnern, als es um Feuerlegen geht: „Brennenden Schwefel vom Himmel regnen zu lassen, das ist wahre Kunst“. Das schaffen Garbage erschreckend leicht!