300 Millionen Dollar. Diese wahnwitzige Summe soll der neue James-Bond-Film „Spectre“ in der Produktion verschlungen haben. In der Filmgeschichte war nur „Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten“ teurer. Eine dicke Hypothek für den 24. Eintrag in der legendären 007-Reihe – kann der Film die Millionen und den Hype rechtfertigen?
Bewährtes Personal
Drei Jahre nach „Skyfall“ ist beim lose an dessen Ende anschließenden „Spectre“ im Großen und Ganzen das gleiche Team versammelt: Daniel Craig gibt natürlich den Bond (seinen mittlerweile vierten), Sam Mendes führt Regie, Michael G. Wilson und Barbara Broccoli produzieren (wie jeden Bond der jüngeren Jahre), Thomas Newman schrieb den Score. Nur der Kameramann ist ein anderer: Statt Roger Deakins hat diesmal Hoyte van Hoytema („Interstellar“) die Kamera bedient. Überraschungen sind demnach keine zu erwarten gewesen – und es gibt auch keine.
Der zweieinhalbstündige Mammutfilm beginnt beim Karneval in Mexico City, bei dem Bond ein paar böse Buben verfolgt und eine Katastrophe verhindert. Allerdings richtet er dabei auch eine Menge Chaos an – und das zur absoluten Unzeit: In London hat M (Ralph Fiennes) Probleme damit, den MI6 gegenüber dem einflussreichen Regierungsbeauftragten C (der Moriarty aus der grandiosen „Sherlock„-Serie!) zu rechtfertigen. Denn C plant etwas viel Moderneres als einen Geheimdienst mit Feldagenten: Er will die totale Überwachung in Form eines globalen Geheimdienstes und damit das 00-Programm endgültig abschaffen.
Wegen seiner eigenmächtigen Eskapaden wird Bond suspendiert und zur besseren Aufspürbarkeit mit sogenanntem „Smartblood“ markiert: Erfinder Q (Ben Whishaw, „Hollow Crown„) spritzt ihm kleine Mikrochips in die Blutbahn, die den unberechenbaren Agenten ein bisschen berechenbarer machen sollen. Doch Bond hat seine Wege, die Vorgesetzten auszutricksen, denn er hat eine persönliche Mission zu erfüllen: (Die alte) M hat ihm posthum eine Botschaft übermittelt, in der sie ihn darum bittet, einen gewissen Sciarra auszuschalten und anschließend bei dessen Begräbnis in Rom aufzutauchen. Gesagt, getan: 007 stibitzt den Aston Martin von Agent 009 und düst in die ewige Stadt. Bei der Beisetzung trifft er auf Sciarras Witwe Lucia (die wunderschöne Monica Bellucci als „ältestes Bond-Girl aller Zeiten“ – drauf geschissen, sie sieht anbetungswürdig aus!) und erfährt von ihr, dass ihr Mann einer kriminellen Geheimorganisation beiwohnte, die an diesem Abend einen Nachfolger für ihn bestimmt. Nach dem obligatorischen Beischlaf schlägt Bond natürlich dort auf – und trifft auf einen alten Bekannten, der eigentlich längst über den Jordan gegangen sein sollte.
Alles hängt zusammen
Belassen wir es dabei – wir wollen ja nicht zu viel verraten. Dass Christoph Waltz den Bösewicht in „Spectre“ spielt, sollte inzwischen aber durchgedrungen sein. „Das war ich, James – der Urheber all deiner Schmerzen“, verrät Waltz alias Ernst Stavro Blofeld ja bereits im Trailer. Stück für Stück wird 007 klar, dass alles bisher Geschehene – von „Casino Royale“ über „Ein Quantum Trost“ und „Skyfall“ bis nun zu „Spectre“ – zusammenhängt. Deswegen taucht auch Mr. White (Jesper Christensen) wieder auf, dessen Tochter Dr. Madeleine Swann (Léa Seydoux – „Inglourious Basterds„, „Mission: Impossible – Phantom Protokoll“, „Blau ist eine warme Farbe“) Licht ins Dunkel des Ganzen bringen kann – und natürlich das „eigentliche“ Bond-Girl ist. Hey, jetzt habe ich ja doch noch mehr verraten. Aber auch nicht mehr als man ohnehin im Trailer sehen kann, keine Panik. Zumal der Verleih vor der Pressevorführung noch mal explizit drum gebeten hat, doch bitte nicht das Ende von „Spectre“ zu spoilern. Gut, dass wie es noch mal gesagt haben!
Genug palavert – kommen wir zu den harten Fakten: Wie hat mir „Spectre“ gefallen? Ehrlich gesagt fand ich ihn eher mittelmäßig. Ein routinierter, aber auch ziemlich formelhafter Agenten-Thriller, der zwar mit unzähligen Anspielungen und Details dem Bond-Kult huldigt, für 300 Millionen Piepen aber gerade im Actionbereich zu wenige „Alteeeeeer“-Momente und unvergessliche Bilder liefert. Hier eine Flugzeugverfolgungsjagd, da eine Car-Chase-Szene durchs menschenleere (!?) Rom mit dem völlig überzogen aufspielenden Dave Bautista („Guardians Of The Galaxy„), der statt zu reden lieber anderen die Augen ausdrückt. Obwohl sein Charakter Mr. Hinx mit der wortkargen Bad-Guy-Performance natürlich an klassische Bond-Monster wie den Beißer erinnert – ein gutes Beispiel für den nostalgisch-konservativen Touch von „Spectre“.
Waltz als Bösewicht? *Gähn*
Auch Christoph Waltz („Django Unchained„) spult routiniert seine bewährte Mr.-Evil-Performance ab, und die Love Story zwischen Bond und Swann ist auch nicht wirklich nachvollziehbar. Von den vier bisherigen Daniel-Craig-Bonds ist „Spectre“ eher mit Nummer #2, „Ein Quantum Trost“, vergleichbar, den ich auch nicht so überragend fand. Für mich sind „Casino Royale“ und „Skyfall“ die besseren Filme – weil sie die bewährte 007-Routine mal ein wenig umgekrempelt haben.
Wer Bond-Nostalgiker und -Ultrafan ist, wird mit „Spectre“ vermutlich völlig glücklich sein. Ich gehöre dann doch wohl eher zum Team „Mission Impossible„. Aber ist ja nicht schlimm! „Spectre“ ist ein unterhaltsamer Bond-Thriller, der – das muss man auch mal sagen – in seinen 150 Minuten keinen wirklichen Durchhänger hat. Aber eben (für mich) auch zu wenige echte Highlights.
„Spectre“ – der Trailer
(alle Bilder: Sony Pictures)
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