Mensch, Mel, was ist denn nur los!? Kaum ein zweiter Hollywood-Schauspieler hat in der letzten Dekade einen derart rasanten Abstieg hingelegt wie der heute 57-jährige Ami-Aussie, an dem in den 80ern und 90ern auf der Leinwand kein Weg vorbei führte. Hier besoffen Auto fahren, dort antisemitische Tiraden schmettern, meistens beides gleichzeitig. Und das alles, während ohnehin schon genug Gerüchte bezüglich Homophobie und häuslicher Gewalt kursieren und man die siebenfache Mutter seiner Kinder für eine russische Pianistin verlassen hat. Mit der es dann ebenfalls einen Rosenkrieg gibt. Eine großartige Hollywoodkarriere – am Boden eines Schnapsglases ersoffen? Beinahe. Doch einen Max Rockatansky, Martin Riggs und William Wallace wird man nicht so einfach los. Und das ist in diesem Fall auch gut so!
War sein 2010er Comeback „Auftrag Rache“ noch eher mäßig und „Der Biber“ ziemlich anstrengend, kann man bei „Get The Gringo“ nun ohne rot zu werden behaupten: Das ist ein richtig guter Film geworden, Herr Gibson! Mehr davon!
Schade, dass der saucoole Gefängnis-Thriller in Amerika keinen offiziellen Kinostart hatte (sondern stattdessen via Video on Demand veröffentlicht wurde) und auch in Deutschland nur äußerst eingeschränkt in den Lichtspielhäusern lief. Ist man erst mal zur Persona non grata Hollywoods avanciert, ist der Weg zurück ins Rampenlicht mühsam und beschwerlich.
Egal, „Get The Gringo„! Warum soll der so gut sein?! Zum einen, weil MG in seine Paraderolle schlüpft: die des windigen, opportunistischen Schlitzohrs, das sich auch im düstersten Loch unbeirrt nach oben tankt. Besagtes Loch ist hier der Knast El Pueblito, neues Zuhause des Gringos, der auf seiner spektakulären Flucht vor den US-Cops mit der Millionenbeute im Kofferraum in Mexiko crasht. Da übernimmt die lokale Policia doch gerne, reißt sich die Pesos unter den Nagel und steckt den Gringo hinter mexikanische Gardinen, die mehr Favela und Ghetto sind als ein Gefängnis im eigentlichen Sinne. Schnell passt sich das clevere Weißbrot der ungewöhnlichen Umgebung an und klettert in der Knasthierarchie nach oben, in deren Penthouse Obergangster Javi thront. Als er sich mit einem kleinen Jungen anfreundet und erfährt, warum dieser unter Javis persönlichem Schutz steht, ist jedoch Schluss mit lustig und der Gringo räumt mal richtig auf im dreckigen Ganovenhort.
Moment, irgendwas fehlt noch, oder? Stimmt, es steht noch ein „zum anderen“ aus. Kommt jetzt: Zum anderen ist „Get The Gringo“ so gut, weil auch die (von Gibson selbst mitverfasste) Story clever durchdacht, mit trockenem Witz gewürzt und peitschenden Action-Einlagen abgeschmeckt ist und sich dabei kaum dramaturgische Schwächen leistet. Auch die Inszenierung ist erstklassig: In seinem Spielfilmdebüt gelingt es Adrian Grunberg (der zuvor als Regie-Assistent bei Gibsons „Apocalypto“ oder „Auftrag Rache“ in Erscheinung getreten ist) auf beeindruckende Art und Weise, die schräge Atmosphäre des Mexiko-Knasts in kräftig kolorierten Bildern visuell ansprechend einzufangen.
Im Comeback-Ringelrein der 80er-Actionhelden lässt Mel Gibson also die altehrwürdigen Konkurrenten Stallone („Shootout„) und Willis („Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben„) mit ihren ziemlich mittelmäßigen neuen Werken und auch Schwarzeneggers durchaus gelungenen „The Last Stand“ klar hinter sich und bricht mit „Get The Gringo“ nun hoffentlich in einen erfolgreichen zweiten Filmfrühling auf. Wer den Macho- und Charmebolzen-Gibson der „Lethal Weapon“-Teile noch in guter Erinnerung hat, sollte dem in Ungnade gefallenen Haudegen nun Absolution erteilen und sich gefälligst den Gringo holen. Und wer auf gut gemachte Action-Thriller mit dem gewissen Etwas steht sowieso.
Kleiner Anheizer:
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