Heute mal etwas Ernsteres statt immer nur Krawummaufdiefresseaction – und zwar das bedrückende AIDS-Drama „Dallas Buyers Club“, das nun im Kino startet. Ein Film, der aus mehrerlei Hinsicht bemerkenswert ist: Zum einen erzählt er die wahre Geschichte des texanischen Elektrikers Ron Woodroof, der sich Mitte der 80er durch ungeschützten Sex mit HIV infiziert. Zum anderen spielt der einstige RomCom-Surfer-Dude-Sunnyboy Matthew McConaughey als Hauptdarsteller dermaßen groß auf, dass er dafür Anfang Januar mit dem Golden Globe prämiert wurde und nun bei der anstehenden Oscarverleihung ebenfalls nominiert ist. Am bemerkenswertesten ist jedoch – zumindest aus musikalischer Sicht – die „männliche“ Nebenrolle des Transsexuellen Rayon. Gepielt von… tamtaratam…
… Jared Leto, seines Zeichens exaltierter Fronter der Alternative-Rock-Überflieger 30 Seconds To Mars und kreischattackenverwöhnter Frauenschwarm. Stichwort: (*bitte jetzt schreien*) Jordan Catalano!! Wer hätte gedacht, dass der einstige Teenie-Schwarm aus der 90er-Serie „Willkommen im Leben“ mal für den Academy Award nominiert sein würde? Und dann auch noch für so eine Rolle? Allein für diesen Mut hätte er den Oscar verdient.
Und deswegen stellen wir Herrn Leto auch gleich mal an den Anfang:
Dieser Fokus auf Letos Performance soll freilich nicht den Inhalt des Filmes an sich schmälern, der letztlich das Wichtigste an diesem packenden Drama ist.
Tiefstes Texas im Jahr 1985: Der Elektriker Ron Woodroof (McConaughey) – ein Macho vor dem Herrn, der sich ein Zubrot durch Bullenreiten verdient – fällt aus allen Wolken, als ihm nach einem Schwindelanfall ein Arzt im Krankenhaus erklärt, dass er sich mit HIV infiziert habe und der Virus längst ausgebrochen sei. „Vielleicht noch 30 Tage“, so die ermunternde Prognose. „Kann ja gar nicht sein“, ist sich der homophobe Ron sicher, „ich bin ja keine Schwuchtel!“ Doch je mehr sich sein Gesundheitszustand verschlechtert und je mehr er sich über die Immunschwächekrankheit informiert, desto mehr muss er sich der tragischen Wahrheit stellen: Er hat AIDS!
Von seinen „Kumpels“ wird Woodroof fortan wie die Pest gemieden und ist völlig auf sich allein gestellt. Bei Recherchen erfährt er von einer Versuchsreihe mit dem Präparat AZT, das das Leben von AIDS-Patienten verlängern soll. Doch die Plätze in der Studie sind begrenzt, so dass sich der windige Cowboy über einen geschmierten Krankenhausangestellten mit dem einzigen von der US-amerikanischen Food and Drug Administration FDA zugelassenen „Anti-AIDS-Medikament“ versorgt – auch wenn sich sein Zustand dadurch eher verschlechtert. Als seine Quelle versiecht, fährt der verzweifelte Todgeweihte nach Mexiko, um an AZT zu kommen. Von einem ausgewanderten Arzt, dem in Amerika seine Lizenz entzogen wurde, erfährt Woodroof jedoch, dass AZT giftig ist und die Zellen zerstört. Stattdessen gibt ihm der Doc das antivirale ddC und das Protein Peptide T, die beide nicht in den Staaten zugelassen sind. Und siehe da: Dem Patienten geht es deutlich besser! Also schmuggelt Woodroof die Präparate in die USA und versorgt die AIDS-Community für eine „kostenpflichtige Mitgliedschaft“ mit den Wundermitteln. Bei diesem sogenannten „Dallas Buyers Club“ bekommt er Hilfe vom transsexuellen AZT-Versuchskaninchen Rayon, das er im Krankenhaus kennen gelernt hat – und als „echter Mann“ zunächst natürlich überhaupt nicht ausstehen konnte.
Nicht nur Leto, auch und gerade der krass runtergehungerte McConaugey zeigt in diesem bewegenden und bitteren Tatsachendrama, was er schauspielerisch drauf hat: Es ist nahezu unglaublich, dass sich dieser Ausnahmedarsteller bis vor ein paar Jahren noch in albernen bis kläglichen Comedys wie „Ein Schatz zum Verlieben“ oder „Surfer, Dude“ rumgetrieben hat. Doch spätestens seit dem 2011er „Der Mandant“ zeigt das geläuterte RomCom-Opfer, was wirklich in ihm steckt: In „Killer Joe“ (ebenfalls 2011) war er schlichtweg grandios (da der Film indiziert ist, wird von einer Sichtung natürlich nachdrücklich abgeraten), auch in „The Paperboy“ machte er eine blendende Figur, und in Steven Soderberghs „Magic Mike“ (beide 2012) war er als alternder Stripper eine absolute Wucht.
Auch wenn ich sagen muss, dass mir Woodroofs Wandlung vom grobschlächtigen Macho-Cowboy zum cleveren Schmuggler und Geschäftsmann im Film ein wenig zu plötzlich kam, ist „Dallas Buyers Club“ doch ein faszinierendes, von allen Beteiligten fantastisch gespieltes AIDS-Drama, das neben grassierenden Vorurteilen und Homophobie vor allem auch die Praktiken der US-Pharmaindustrie anprangert – ein Thema, das im Hollywoodkino der jüngeren Jahre immer präsenter wird (wie zum Beispiel in der Tradikomödie „Love & Other Drugs“ oder Soderberghs Top-Thriller „Side Effects“).
Ach, komm, weil Leto aber auch einfach zu geil aussieht:
Sechsmal ist der Film für den Oscar nominiert, darunter wie gesagt McConaughey als bester Haupt- und Leto als bester Nebendarsteller sowie natürlich als bester Film. Ein anspruchsvolles und schweres Drama, das jeder Cineast gesehen haben sollte. Wer Kino jedoch als pure Unterhaltungsmaschine versteht und generell bedrückende Themen meidet, sollte sich diese Woche vermutlich besser an das „Robocop“-Remake oder die Schweighöfer-Comedy „Vaterfreuden“ halten.
Hier der Trailer:
Und hier… hach ja… :)
Und für alle Leto Fans, Peter hat im Januar 2013 mit dem 30 Seconds To Mars Frontmann gesprochen und schockierende Bilder online gestellt.
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