Der alte Mann und das Meer: Im Survival-Drama „All Is Lost“ erleidet Robert Redford Yachtbruch auf hoher See und kämpft in einer gigantischen Tour de force ums nackte Überleben. Auch wenn er dafür bei der Oscar-Verleihung schändlicherweise übergangen wurde – dieser Ritt mit dem Teufel ist ganz ganz großes Kino!
Schon mit seinem Filmdebüt „Der große Crash“ von 2011 hat J.C. Chandor bewiesen, dass er ein patenter Regisseur ist – doch damals hat er ein Ensemble-Cast um Kevin Spacey, Jeremy Irons, Zachary „Mr. Spock“ Quinto und Stanley „Caesar“ Tucci geleitet, das vermutlich mehr oder weniger von alleine funktioniert. Bei seinem Zweitwerk hat er sich nun ein ungleich schwierigeres Szenario ausgesucht: Ein einziger Darsteller, keine Dialoge und nur auf dem Wasser unterwegs. Es gibt Regisseure, die sind an sehr viel weniger gescheitert.
Warum der namenlose Segler allein auf dem Indischen Ozean ist? Weiß man nicht, und es spielt auch keine Rolle. Wollte vermutlich einfach mal seine Ruhe haben. Was aber definitiv eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass der Mann eines Tages durch einen stumpfen Aufprall in seiner Koje geweckt wird. Ein kurzer Blick und die Misere wird offenbar: Ein durchs Meer treibender ISO-Container (Inhalt: Turnschuhe), der offensichtlich von einem Frachtschiff gefallen ist, hat ein klaffendes Loch in die Bordwand seines Segelboots Virginia Jean gerissen, das sich immer mehr mit Wasser füllt. Umso ärgerlich: Laptop und Funkgerät wurden geflutet und sind unbrauchbar.
Mit vergleichsweise stoischer Ruhe flickt der Segler (nennen wir ihn fortan Robert) mit einem Kit aus Harz und Gewebe behelfsmäßig das Leck, das zunächst tatsächlich wasserdicht erscheint. Bei seinem Versuch, die Funkantenne an der Spitze des Bootsmasts zu reparieren (dafür sollte man unbedingt schwindelfrei sein), sieht er aber plötzlich das nächste Unheil herausziehen: Am Horizont kündigt sich ein gewaltiger Meeressturm an, der Robert und sein Flickenboot in der Nacht heimsuchen wird.
Immer schlimmer wird die Lage, bis Robert schließlich aufs Rettungsboot ausweichen muss und schutzlos auf dem Ozean treibt. Die Nahrungsvorräte gehen zur Neige, das Trinkwasser ebenso. All Is Lost. Oder: „Fuuuuuuuuuuuuuuck!“ – wie der Robert in der so gut wie einzigen Textzeile des Films so treffend sagt.
Mit einem schmalen Budget von nicht mal neun Millionen Dollar musste Chandor hier arbeiten, was man in einigen Szenen auch sieht: Beim 120-Mille-Kracher „Der Sturm“ von Wolfgang Petersen sah die Überlebensschlacht auf dem Meer deutlich spektakulärer (und nicht so sehr nach Green Screen) aus. Doch wer ein Effektspektakel sehen will, sollte sich ein Big-Budget-Movie anschauen. In „All Is Lost“ geht es weniger um Schauwerte als um den unbedingten Überlebenswillen eines alten Mannes, der allen Widrigkeiten trotzt und am Ende (gefühlt) auf einem Bierdeckel übers Meer treibt.
Redford mimt den stummen Alten mit der ihm eigenen Grandezza. Es ist schon faszinierende zu sehen, dass die Filmlegende selbst mit 77 Jahren noch entbehrungsreiche Rollen wie diese stemmt (viele der Stunts soll er tatsächlich noch selbst gemacht haben) und nach wie vor in den verschiedensten Filmen funktioniert: Kürzlich begeisterte er im Polit-Thriller „The Company You Keep – Die Akte Grant„, bei dem er selbst Regie führte, und ließ sich auch nicht lumpen, im zweiten „Captain America“ („The Return Of The First Avenger“) den Bösewicht zu spielen. Und dann eben diese Einmannperformance in „All Is Lost“ – Chapeau, Mr. Redford! Wenn wir mit Ende 70 noch halb so cool und agil sind wie der, dann ist alles gut.
Doch um zum eigentlich Thema zurückzukommen: „All Is Lost“ ist ein faszinierendes Hochsee-Survivaldrama, bei dem selbst der Zuschauer ordentlich Sympathie-Salzwasser schluckt. Als Filmfan muss man das gesehen haben.
Hier der Trailer:
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