In stolzen neun Kategorien war Steve McQueens Drama „12 Years A Slave“ für den Oscar nominiert – und konnte die begehrte Trophäe in einem Drittel davon auch gewinnen: Für das beste adaptierte Drehbuch, die beste Nebendarstellerin (Newcomerin Lupita Nyong’o) und, na klar, den besten Film des Jahres 2013. Ich persönlich hätte ja ehrlich gesagt „The Wolf Of Wall Street“ oder „Gravity“ vorne gesehen, doch das lag schlicht und ergreifend daran, dass ich „12 Years A Slave“ seinerzeit noch nicht gesehen hatte. Eine cineastische Bildungslücke, die ich nun endlich geschlossen habe. Und die ihr – falls ihr ihn noch nicht gesehen habt – ebenfalls schließen solltet.
Eben noch war Violinist Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor) ein geachteter und vor allem freier Mann – was für einen Afroamerikaner im Amerika des Jahres 1841 wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. Als er sich jedoch von zwei unbekannten Herren dazu überreden lässt, sie als Auftragsgeiger nach Washington zu begleiten, wird sein Leben von einem auf den anderen Tag zum Albtraum: Er ist einem Ring von Sklavenhändlern in die Hände gefallen und wird mit einigen anderen schwarzen Opfern nach New Orleans verschleppt, wo man sie für gutes Geld an reiche Plantagenbesitzer verkauft.
Schnell muss Solomon erkennen, dass Protest sinnlos ist – wer aufmuckt, wird aufgespießt und über Bord geworfen. Also fügt er sich zunächst in sein Schicksal und lässt die Grausamkeiten seiner Peiniger mehr oder weniger stumm über sich ergehen. Schließlich kennt er nur ein Ziel: Um jeden Preis überleben und zu seiner Frau und den beiden kleinen Kindern zurückkehren.
Auf der Plantage erarbeitet er sich durch seine Cleverness schnell ein gutes Standing beim gutmütigen Besitzer Ford (Benedict „Sherlock“ Cumberbatch), zieht dadurch aber auch den blanken Hass des sadistischen Aufsehers Tibeats (Paul Dano, der schon in „Prisoners“ so stark aufspielte) auf sich, der ihn nach einer demütigenden Auseinandersetzung am nächstbesten Baum aufknüpft. Gerade noch kann Solomon – der von den Sklaventreibern zu Platt umgetauft wurde – entkommen, doch aus Schutz vor der Rache des rasenden Tibeats verkauft ihn Ford an den Baumwollplantagenbesitzer Ebbs (Michael Fassbender) weiter. Und auf dessen Ranch regiert der blanke Terror.
Ich muss gestehen, dass ich „12 Years A Slave“ trotz Oscar-Meriten ein wenig skeptisch in den Player schob. Das Thema Sklaverei ist mir per se ein wenig zu zopfig – zumal Quentin Tarantino erst ein Jahr zuvor mit „Django Unchained“ einen kühnen wie coolen Genrebeitrag auf die Leinwand gebracht hatte. Doch schon die erste halbe Stunde dieser Verfilmung der Memoiren des realen Solomon Northup, der sein Martyrium im gleichnamigen Buch niederschrieb, ist so nervenaufreibend intensiv inszeniert, dass man sich wie mit strangulierendem Würgegriff in die Couch gepresst fühlt: Die Verschleppung von Solomon und Co. hat Komponist Hans Zimmer mit einem morbiden und verstörenden (Indutrial-)Score unterlegt, der einem das Mark in den Knochen gefrieren lässt. Und je tiefer Solomon auf seiner Odyssee des Grauens in den sprachlos machenden Schlund aus Rassismus, Menschenverachtung und Folter hinabtaucht, desto mehr dreht sich dem Betrachter der Magen um. Nicht nur einmal wünscht man sich, dass Tarantinos Django um die Ecke kommen und den perversen selbsternannten „Herrenmenschen“ ein faustgroßes Loch in den Bauch schießen möge. Doch er kommt nicht.
Regisseur Steve McQueen, der schon mit seinen grandiosen Filmen „Hunger“ und „Shame“ so massiv zu verstören und fesseln wusste, zeigt auch hier wieder, dass er einer der Besten seines Fachs ist: Minutenlang hält er drauf, wie Solomon am Galgen tänzelt und mit seinen Fußspitzen auf dem aufgeweichten Boden Stand sucht, während hinter ihm die restlichen Sklaven ganz normal ihre Arbeit verrichten – und der Zuschauer spürt förmlich, wie der Strick den eigenen Hals zuschnürt. Von der ultimativen Peitschszene, bei der das Blut nur so durch die Luft spritzt und ein Rücken in seine fleischigen Einzelteile zerfetzt, ganz zu schweigen.
Die alte Maxime, dass jeder dramatische Film nur so gut ist wie sein Hauptantagonist, greift auch hier: Michael Fassbender, der schon in McQueens anderen beiden Filmen die Hauptrolle spielte, verkörpert den quälenden und vergewaltigenden (aber natürlich auch gottesfürchtigen, na klar) Unmenschen mit solch verabscheuungswürdiger Perfidität, dass der „The Walking Dead„-Governor dagegen wie ein sympathischer Zeitgenosse anmutet, mit dem man gern mal ein Bier trinken würde.
Neben Fassbender, der als bester Nebendarsteller oscarnominiert war, brillieren auch der ebenfalls nominierte Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor (man mag ihn aus „2012“ oder „Salt“ kennnen) und natürlich Lupita Nyong’o in der Rolle der Sklavin Patsey, der die Quälereien von Ebbs und dessen Frau nach und nach den Lebenswillen austreiben. In einer kleinen (aber nicht unwichtigen) Nebenrolle ist auch Brad Pitt zu sehen, der ansonsten als Produzent des Filmes fungierte.
Summa summarum: Wer auf gehaltvolles und (ganz nebenbei) fantastisch gefilmtes Emotions-Kino steht, das zum Nachdenken anregt und (leider auch heute noch aktuelle) Fragen über Werte wie Menschlichkeit und Freiheit aufwirft, kommt an „12 Years A Slave“ nicht vorbei. Ein überwältigender Film, der noch lange nachwirkt. Und das sind ja bekanntlich die besten.
Hier der Trailer: