Die EMP Plattenkiste am Wacken-Wochenende. Ja, wir sind uns darüber im Klaren, dass ihr aktuell auf dem heiligen Acker rumrennt, aber die Platten kommen trotzdem diesen Freitag auf den Markt. Wir haben uns im Vorfeld mal wieder Zeit genommen die Scheiben durchzuhören um Tipps aussprechen zu können. Lest, was diesen Freitag am Start ist und uns bewegt hat. Wir sehen uns dann später in Wacken in unserer schicken EMP Backstage Club Area. Rain or shine! In diesem Sinne: Viel Spaß bei der EMP Plattenkiste für den 05. August 2016!
Russian Circles – Guidance
Rockmusik ohne Gesang ist so eine Sache. Bands treten oft auf der Stelle, wirken lustlos und schauen verdutzt drein, da das Gitarrenbrett eben nur eine gewisse Anzahl an Bünden vorzuweisen hat. „Was mache ich denn jetzt?“, vermittelt einem der ratlose Blick des Gitarristen eben jener Bands. Aber es gibt auch andere Beispiele, wie Russian Circles. Das US-Trio mit der Heimatstadt Chicago ist sicher darüber im Klaren, dass man anders sein muss als die Bands, die in eine ähnliche Kerbe schlagen wollen. Tja, der Plan kam der Truppe schon im Jahre 2006 und seither kümmert man sich um keine Stilfragen mehr. Russian Circles definieren ihren eigenen Stil, wie man es nun auf dem sechsten Album „Guidance“ erneut erleben kann. Es ist ein Wechselbad zwischen Laut und Leise. Meterhohe Wände aus Gitarren, einem dynamischen Schlagzeugspiel und eben der Tatsache, dass jede Note nicht vorhersehbar ist. Russian Circles schwanken zwischen Wut, Verzweiflung und optimistischen Momenten, die per se entwurzelt sich auf der Platte wiederfinden. Wer auf atmosphärische Musik steht, wird die Band sicherlich schon kennen und das Album sich einverleiben. Wer nicht, der sollte Russian Circles widmen. Unverzüglich!
Carnifex – Slow Death
Carnifex legen mit „Slow Death“ vor, welches meilenweit von dem ist, was vielleicht der Titel suggeriert. Hier geht sicher nichts langsam vor sich. Ebenfalls das sechste Album der Band, jedoch nicht Rock-lastig, sondern eher in den Gefilden des gemeinen Deathcore wütend, reißen Carnifex alles ein. Wo das Album noch melodisch startet, man leicht irritiert auf den Player schaut, wandelt sich ebenso schnell die Atmosphäre ins Rabenschwarze. Zwischen derben Shouts, brachialstem Drumming und der obligatorischen 7-saitigen Gitarre, zelebriert man die Schlachtplatte kurzerhand im Ohr des Hörers. Deathcore ist ein fallendes Genre und man beobachtet die scheidende Fanbase seit geraumer Zeit. Diesen Umstand haben sich aber Carnifex zu nutze gemacht und ihre Songs mit etwas Black Metal ausgebaut. Und dies, obwohl man die Band für ihre Stärken und ihre Power bisher immer so sehr geschätzt hat. Macht aber nichts, denn diese sind natürlich noch in jedem Song zu hören. Für die Tatsache, was man von Carnifex erwartet hat und für das, was diese Band nun abliefert, kann man der Truppe nur auf die Schultern klopfen!
Dinosaur Jr. – Give A Glimpse Of What Yer Not
Dinosaur Jr. gelten allgemein als kauzige Truppe. Insbesondere Mastermind J. Mascis sieht schon aus wie der verrückte Wissenschaftler bei „Independence Day“ – wohlbemerkt der erste damals! Und dennoch hat kaum eine andere Band einen dermaßen großen Kult-Status wie diese Indie-Band. Mit „Give A Glimpse Of What Yer Not“ gibt es nun neues Futter für die Ohren und ja, man muss sagen, dass verzerrte Gitarren selten so ausufernd gespielt werden wie es eben bei Dinosaur Jr. der Fall ist. Sei es der nölige Gesang beim Opener „Going Down“, die melancholische Nummer „Be A Part“ oder der Song „Love Is…“ welcher vom Bassisten vorgetragen wird. Es sind Nummern, die man verstehen muss oder ganz dolle verstehen will. Es sind Indie-Ausbrüche, die andere Bands wie Marionetten aussehen lassen, welche der Band nacheifern. Dinosaur Jr. sind Kult und dies auch deshalb, weil sie ein Genre nicht nur bedienen, sondern formen. Und gerade das merkt man zu jedem Zeitpunkt. Auch wenn ich mich wiederhole: Niemand speilt so geilen Indie wie J. Mascis. Period!
Tarja – The Shadow Self
Seit Tarja Nightwish den Rücken gekehrt hat, ist sie frei. Diesen Umstand merkt man auch und das vierte Album „The Shadow Self“ ist wohl wieder ein Beweis dafür, dass die Frau macht, was sie will. War der Vorgänger noch ein farbenfrohes Spiel, ist das neue Album eher monochrom ausgestattet, was die Stimmungen betrifft. Entweder dunkel und schwarz, oder eben hell und weiß. Hier treffen Arrangements eines Orchesters auf harte Gitarrenriffs, Klavier-Parts auf tosendes Schlagzeug und der rote Faden ist diese Stimme. 11 Songs, die eben durch Tarja leben und mit Emotionen ausgestattet werden. Gänsehaut-Momente werden auch denen zuteil, die vielleicht weniger was mit der Dame anfangen können. Denn, und so ehrlich muss man sein, Tarja versteht ihr Handwerk bis ins kleinste Detail. Über die Jahre hat sie ihr Skills perfektioniert und legt nun mit „The Shadow Self“ Zeugnis ab. Ein wirklich spannendes und perfekt inszeniertes Album!
Serum 114 – Die Nacht Mein Freund
Die Messlatte lag für Serum 114 enorm hoch. Waren die bisherigen Alben doch immer eine Weiterentwicklung, die mit Highlights nicht geizten. So konnte man auf „Die Nacht Mein Freund“ gespannt sein wie ein Flitzebogen, was das neue Album betrifft. Serum 114 haben auf den letzten Alben schon gezeigt, dass sie sich der Macht von Wörtern bewusst sind. Diese Erkenntnis wurde nun noch geschärft und man findet streckenweise persönliche Passagen vor. Dies ist in zweierlei Hinsicht faszinierend: Zum einen macht es eine Band authentischer und ehrlicher, auf der anderen Seite setzt man sich ab. Man kann den Dreck der Straße dennoch spüren und sich sicher sein, dass Serum 114 nicht auf feingeistige Musik umgeschwenkt haben. Vielmehr haben sie ihren bisherigen Ansatz durch einen stärkeren Schwerpunkt auf die Texte verfeinert. Summa summarum ein fettes Album geworden. Man kann sich sicher sein, dass diese Band noch einen langen und erfolgreichen Weg vor sich hat!
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