Mit Propagandhi haben wir eine Band für das Album der Woche bei EMP, die es mehr als verdient hat. Zum einen ist der musikalische Einsatz der Kanadier enorm, ferner gibt es politische Weiterbildung gratis on top. Doch damit nicht genug, denn Propagandhi sind einfach mit „Victory Lap“ unfassbar stark.
„Failed States“ war ein Brocken an Musik. Ein fein säuberlich zelebriertes Ding, was dem Hörer mal wieder eindrucksvoll aufzeigte, was in dieser Welt doch so verkehrt läuft. Es sind 5 Jahre vergangen und die Welt stand (leider) nicht still. Ein egozentrischer Mann regiert Amerika, Konflikte nehmen weltweit zu, anstatt weniger zu werden und Nordkorea noch als Sahnehäubchen oben drauf. So steht man Ende des Jahres 2017 eventuell vor einem weiteren Krieg, dessen Ausgang uns alle zittern lässt. Wo nun Angst und Bedenken grassieren, da setzen Propagandhi an und legen kurzerhand den Finger in die Wunde. Darüber muss man sich im Klaren sein, wenn man sich mit der Band auseinandersetzt. Blümchenwiesen gibt es hier sicher nicht, sondern vielmehr eine Abrechnung mit all den Dingen, die verkehrt laufen.
Propagandhi haben schwere Jahre hinter sich…
Aber auch im Hause Propagandhi läuft nicht immer alles nach Plan. Gitarrist David Guillas beschloss 2015 die Gitarre an die Wand zu hängen und einem ehrlichen Beruf nachzugehen. Problem an der Sache war, dass er einen immensen Anteil beim Songwriting hatte. Bassist Todd Kowalski verlor seinen Vater und auch der Dad von Schlagzeuger Jord verstarb. Dagegen begrüßte Sänger und Kopf Chris Hannah sein zweites Kind. Doch von all den privaten Umständen abgesehen, war es die große Aufgabe von Propagandhi einen Nachfolger für den ausgestiegenen Gitarristen zu finden. Dieser wurde nun in der Dame Sulynn Hago gefunden, die sich gegen rund 400 Mitbewerber durchsetzen konnte. Laut Hannah war ein Grund, dass sie als „radikale vegane Lesbe“ auftrat und den Sänger alleine durch ihre Ansichten aufmerksam machen konnte. Musikalisches Können ließ dann die Entscheidung fallen.
… und sind dennoch in alter Manier zurück
Mit 12 Songs ausgestattet, ist „Victory Lap“ ein Album geworden, welches Laune macht. Laune dahingehend, dass Propagandhi sich und ihrem Sound dermaßen treu geblieben sind und dies in jeder Minute voll ausspielen. So ist „Cop Just Out Of Frame“ ein Song, der so manchem Musiker für ein halbes Album reichen würde, wenn man die musikalischen Stilmittel betrachtet. Oder „Failed Imagineer“, der durch seine dermaßen groovigen Sing-A-Longs-Attacken sich zu einem Dreh- und Angelpunkt mausert. Mit messerscharfen Gitarrenriffs ausgestattet, sägt man stets an der magischen 2/2:30 Minuten-Grenze, die ein stilles Punk-Gesetz ja vorschreibt.
Textlich gibt es die volle Bandbreite
Dass Propagandhi aber auch anders können, zeigen die Songs „When All Your Fears Collide“ oder der dunkle Song „Nigredo“, der von Bassist Kowalski gesungen wird. Erster stellt eine Hommage an den verstorbenen Vater dar und zeigt kurzerhand, dass Propagandhi trotz politischer Ambitionen sehr wohl in der Lage sind, ihre Gefühlswelt nach außen zu tragen. Aber hey, als ob Propagandhi nicht schon immer Material angeschleppt haben, dass einen schon drei Monate für die Analyse einspannt. Und wer dazu noch feinsten Punk mit streckenweise Thrash-Elementen haben will, der ist mit „Victory Lap“ rundum glücklich.