Das Album des Monats kommt erneut aus deutschen Gefilden. Long Distance Calling aus Münster heimsen den Titel für sich ein. „TRIPS“ unterstreicht erneut wie wichtig diese Band für die Musiklandschaft ist! Zurecht ein Highlight des Jahres 2015!
Ich erinnere mich noch genau an eine Diskussion auf dem Wacken Festival. Long Distance Calling Bassist Jan Hoffmann erzählte mir, dass er eine neue Band hätte und diese instrumental wäre. Es fielen Einflüsse wie Tool und andere namhafte Bands, die sich stets von der breiten Masse abgehoben haben. Natürlich – und so ehrlich will ich sein – war ich neugierig, fand das Namedropping aber damals schon hart am Limit. Man muss dazu sagen, dass Tool beispielsweise bei mir einen Gott-ähnlichen Status haben und es wenige Bands gibt, die ich bei Vergleichen kategorisch ausschließe. Wusste der gute Mann damals nicht und unserer Freundschaft hat es letztendlich auch keinen Abbruch getan.
Long Distance Calling und ihre musikalische Reise
Das Debüt „Satellite Bay“ erschien 2007 und im Nachhinein muss ich eingestehen, dass Kollege Hoffmann nicht zu vollmundig war. Mit 7 Songs bewaffnet fesselte mich diese Band direkt und machten mich zu einem Fan der ersten Stunde. Die Tatsache, dass LDC über 6 Songs hinweg feinsten Prog-Rock zelebrierten und mit Spannungsbögen arbeiteten, fesselten mich. On top gab es noch den damaligen The Haunted Sänger Peter Dolving dem Song „The Very Last Day“ zu hören, was Long Distance Calling attestierte, dass sie mehr als eine reine instrumentale Band sind. „Avoid The Light“, das gleichnamige Album „Long Distance Calling“ oder „The Flood Insight“ sollten in den Jahren darauf folgen, und ja, jedes Album war ein Schritt in eine andere – und stets besondere – Richtung. An Mannigfaltigkeit mangelt es dieser Band sicher nicht.
Und wie klingt nun TRIPS?
Nun, im Jahre 2016 erscheint das fünfte Album der Band, die sich zwischen Münster und Dortmund eigentlich mal entscheiden müsste. „TRIPS“ so der Name, welcher passender die enthaltende Musik nicht beschreiben könnte. Um es direkt im Vorfeld zu sagen, stellt „TRIPS“ das abwechslungsreichste Album der Band dar! Gerade mit dem Opener „Getaway“ wird einem dies direkt klar. Ein lässiger Beat soll das Album beginnen, was sicherlich den ein oder anderen verwirrten Hörer zur Folge haben wird. Man fühlt sich an eine 70er-Jahre Science-Serie erinnert, in welcher das Raumschiff von der Mannschaft bestiegen wird und einen auf einen Trip durch die unerforschten Galaxien mitnimmt. Eine Reise, die sicherlich spannend und aufregend zugleich ist. Nachdem die Gurte festgeschnallt sind und vielleicht der erste Schock über den Opener verdaut wäre, kann man sich „Reconnect“ widmen. Im Gegensatz zum Vorgänger, arbeitete man dieses Mal nicht Martin Fischer zusammen, der aufgrund der räumlichen Distanz und dem Umstand, dass er eine Familie hat, einen anderen Weg eingeschlagen hat. In aller Freundschaft trennte man sich, um nun „TRIPS“ mit Petter Carlsen umzusetzen. Der norwegischer Rocksänger könnte dem ein oder anderen Anathema-Fan bekannt sein, da er als Gastsänger auf „Weather Systems“, sowie als Support-Act auf der 2010er-Tour der Band in Erscheinung trat. Die fragile und anmutende Stimme des Mannes trifft ein grooviges Gemisch aus Bass, feinster Schlagzeugarbeit und sich aufbauenden Gitarrentönen, bis eine regelrechte Riff-Wand vor einem steht. Gerade der Sound der Gitarristen Jordan und Füntmann wirkt auf diesem Album unfassbar präzise! Nicht zu wenig Höhen und doch nicht an den satten Klängen gespart, sind selbst bei den komplexesten Passagen alle Nuancen zu spüren.
„TRIPS“ zeigt sich von der warmen Seite, als Carlsen zu Pianoklängen seine Stimme anklingen lässt. „Rewind“ fesselt und als die minimalistisches Instrumentalisierung einer aufbauenden Epik nach und nach weicht, erlebt man eine Tiefe, die ich nach all den Jahren in dieser Form von Long Distance Calling noch nicht erleben durfte. Hoffmann betonte während des Interviews, dass man sich keinerlei Grenzen auferlegen wollte und dem kann man nur zustimmen! Nach und nach eröffnet sich diese Welt der Klänge, welche anscheinend beim Vorgänger noch nicht umsetzbar war. „Trauma“ dagegen stampft los und macht von der ersten Sekunde klar, dass man auch alles dem Erdboden gleichmachen kann. Will man aber nicht, denn zwischendurch regieren wieder filigrane Passagen, die den Hörer von der zuerst offensichtlichen Zerstörungswut der Band wieder wegbringen. Soundteppiche werden ausgebreitet und man spielt sich regelrecht in Ekstase. Wo andere Bands einfach in ihrem Song gefangen zu sein scheinen, da legen Long Distance Calling immer wieder eine Schippe „Abwechslung“ drauf. Starre Strukturen und Muster sind überflüssig, da sie die Band zu bremsen scheinen! Ein Zustand, denn diese Band nicht hinnehmen kann, wie man es auch bei „Lines“ erleben darf. Ein Wechselspiel zwischen rockig und sanftmütig offenbart sich und spielt gekonnt die Stärken der Musiker aus. Carlsens Stimme schmiegt sich um den Song und kommt nur dann zum Vorschein, wenn es notwendig erscheint. Mit den Songs „Plans“ und dem Schlusssong „Flux“ zementiert die Band ihr Standing letztendlich ein. Während „Plans“ sich wieder episch entwickelt und zu einem großartigen Endspurt sich aufbaut, ist „Flux“ wieder ein Wechselbad der Lautstärken. Mit jeglichem Pipapo nutzt man die 12:41 Minuten und jeder Musiker darf letztendlich sein Können nochmals ausspielen. Großartig und bis ins kleinste Detail durchdacht!
So n Fazit bitte noch
Long Distance Calling untermauern mit „TRIPS“ ihre Ausnahmestellung und ohne zu übertreiben, man muss wirklich lange suchen, um vergleichbare Bands überhaupt zu finden. Scheuklappen kennt diese Band nicht, was mit jedem Song unterstrichen wird. Die Band hat sich mit dem fünften Album vollständig frei gespielt. Für mich eines der Top 5 Alben des Jahres – jetzt schon!
Ab Freitag den 29. April ist das gute Stück zu haben. Auch in limitierter Ausgabe!