Kvelertak haben es mit dem neuen Album „Nattesferd“ spannend gemacht. Nur wenige Alben wurden so sehnlich erwartet wie das dritte Werk der Norweger. Zurecht, wie man nun hören kann und kurzerhand den Norwegern den Titel „Album der Woche“ beschert.
Rogaland im Südwesten von Norwegen ist ein Trip wert, für alle die auf Natur stehen. Ich konnte mich vor wenigen Tagen selbst davon überzeugen, wie beeindruckend die Landschaft dort ist. Idylle pur und nun auf der „ich wandere dorthin aus“-Liste, die ich persönlich seit Jahren pflege. Doch diese Ruhe wird seit 2007 von einer Truppe raubeiniger Typen gestört, welche sich unter dem Namen Kvelertak zusammen gefunden haben. Dem Bandnamen („Kvelertak“ bedeutet auf Norwegisch „Würgegriff“) gerecht werdend, konnte man 2010 mit dem gleichnamigen Album die Musikwelt beeindruckend. Die raue Mischung aus Metal, Punk, aber eben auch Rock ‚n‘ Roll schlug ein wie eine Bombe und bescherte Kvelertak Auszeichnungen wie „Newcomer des Jahres“. „Meir“ sollte 2013 folgen und die musikalische Ausrichtung weiter aufbohren. Nicht weniger beeindruckend als das Debüt, konnte man sich kurzerhand auch Spielzeiten auf renommierten Festivals und größere Konzerthallen ergattern. Die Euphorie über die Norweger schien schier unaufhaltsam.
Aller Anfang ist schwer…
Dann der Bruch – zumindest für mich. Kvelertak veröffentlichten den Song „1985“, der Vorbote des dritten Albums „Nattesferd“ sein sollte. Ich war enttäuscht und bangte um ein Highlight 2016, welches ich durch den Van Halen-Einschlag gegen die Wand fahren sah. „Ernsthaft?“ entglitt mir beim ersten Hördurchlauf und die Enttäuschung war groß. Aber wie so oft im Leben sollte man nicht zu vorschnell urteilen. Als das Werk in kompletter Länge vorlag, musste ich meine Meinung revidieren.
… und dann zaubern Kvelertak wieder
Alleine die Black Metal-Affinität beim Opener „Dendrofil For Yggdrasil“ begeistert direkt. Nach Einsetzen der Gitarren peitscht das Schlagzeug nach Vorne, welches über die komplette Spielzeit das Tempo dominiert. Das inbrünstige Geschrei von Erlend Hjelvik macht den Song geradezu perfekt, welcher sich zum Ende hin episch aufbaut und man selbst Klänge der Akustik-Gitarre in der lärmenden Wand von drei Gitarristen ausmachen kann. Die Single „1985“, welche Irritationen meinerseits hervorgerufen hat, ist auf den zweiten Blick atemberaubend schön. Gerade die Anlehnung an alte Van Halen-Zeiten macht den Song zu einem Juwelen auf dem Album. Vergiss den Punk von Kvelertak und ja, auch Black Metal-Ausflüge werden geradezu im Keim erstickt. Rock in feinster Art und Weise, der durch Hjelvik und seine markante Stimme aber nicht in Klischees verfällt. „ Nattesferd“ versprüht Stoner Rock, welchen Queens Of The Stone Age oder Kyuss nicht besser servieren könnten. Insbesondere der Einstieg des Songs mit seinem instrumentalen Intro beweist, dass Kvelertalk sich nicht um Musikgrenzen und Erwartungen kümmern, sondern sich vielmehr auf ihre Qualitäten konzentrieren.
Qualitäten, die auch bei der Mammut-Nummer „Heksebrann“ zum Vorschein kommen. Ein psychedelisches Monster mit einem Ausmaß von 9 Minuten. Vergleiche zu der Band Elder sind hier sicherlich nicht ausgeschlossen, wobei die Eigenständigkeit der Norweger nicht aus den Augen verloren wird. Man grinst zufrieden und ist sich darüber bewusst, dass „Nattesferd“ eine Ansammlung großer Nummern ist. Black Sabbath-lastig wird es mit „Nekrodamus“, was die Altmeister um Ozzy Osborne sicher ebenfalls so sehen würden. „Svartmesse“ und sein Intro könnte auch von Iron Maiden und „Run To The Hills“ stammen, tut es aber nicht! Nein, wir sprechen immer noch von einem saustarken Kvelertak-Song, welcher durch melodische und eingängige Passagen überzeugt.
Und jetzt? Kvelertak hören. Laut!
Was bleibt nach einem Durchlauf? Viel Irritation, aber in positiver Art und Weise. Was bleibt nach dem zweiten Durchlauf? Freude und spätestens beim dritten Durchlauf haben einen die Norweger komplett überzeugt. „Nattesferd“ ist ein weitreichendes Album, welches die musikalische Genialität der Band eindrucksvoll unterstreicht. Auch wenn sie aus dem Heimatland des Black Metals kommen, sich hier und da auch an diesem bedienen, so weit entfernt sind sie von der Engstirnigkeit dieses Genres. Auch der oft totalitaristische Ansatz des Black Metals hat bei diesen 9 Songs kein Dasein. Im Gegenteil, denn Kvelertak zeigen sich offen hinsichtlich Einflüsse, haben ihre Fähigkeiten als Musiker enorm ausgebaut und versprühen zu jedem Zeitpunkt einen gewissen Spaß-Faktor, welcher den Hörer letztendlich zufrieden grinsen lässt.
Das „Album der Woche“ aus der letzten Woche, klingt ganz schön verrückt – findet ihr hier.