Am 7. Februar erscheint endlich das sehnsüchtig erwartete neue BEHEMOTH-Album „The Satanist“. Ein Album, auf dessen Erscheinen man vor dreieinhalb Jahren, als Bandkopf Nergal an Leukämie erkrankte, wohl keinen Pfifferling mehr gesetzt hätte. Doch Nergal nahm den zermürbenden Kampf gegen den Blutkrebs auf – und siegte. Dank einer anonymen Stammzellenspende, aber auch dank seines eisernen Willens, mit dem er sich ins Leben zurückgekämpft hat. „The Satanist“ ist Musik gewordenes Zeugnis seiner erfolgreichen Schlacht: Es ist unerbittlich, kraftvoll, vernichtend, „evil as fuck“, wie der Pole selbst sagt. Wir sprachen mit Nergal über „The Satanist“, seine Krankheit, Religion und seine Maxime des freien Denkens.
„Das neue Album ist radikal, düster, unheimlich, evil as fuck.“
Hi Nergal. Zum Anfang eine einfache, aber aufrichtige Frage: Wie geht es dir?
Es geht mir tatsächlich großartig, Mann! Ich habe mich noch nie besser gefühlt – und das sage ich nicht nur, um diskret zu sein. Ich bin in meiner besten körperlichen Verfassung und auch mental so stabil und selbstbewusst wie noch nie.
Also zurück bei 100 Prozent?
Also wenn ich vor der Krankheit bei 100 Prozent war, dann bin ich jetzt bei 120.
Du bist sofort nach deiner erfolgreichen Therapie wieder auf die Bühne gegangen – warum bist du so früh solch ein Risiko eingegangen?
Ach, ich weiß nicht, ob das früh war – es fühlte sich einfach wie der richtige Zeitpunkt an. Meine Philosophie war die ganze Zeit über, dass ich diese Krankheit, Leukämie, aus einem bestimmten Grund bekommen habe. Und dieser ist, dass ich stärker aus ihr hervorgehe als ich vorher war. Ansonsten würde es keinen Sinn machen, dass ich am Leben bleibe. Also besiege ich entweder diesen scheiß Krebs oder gehe daran zugrunde. Und wenn ich ihn besiege und überlebe, muss ich alles Menschenmögliche tun, um danach stärker als vorher zu sein. Welchen Sinn hätte es sonst?
Hast du je daran gedacht, nach deiner Genesung etwas völlig anderes als Musik zu machen?
Nun, ich habe ja danach angefangen, viel neuen Scheiß auszuprobieren: Ich habe in einem polnischen Film mitgespielt und einige Projekte gemacht, die musikalisch weit von dem entfernt sind, was ich mit Behemoth mache. Ich probiere ständig neue Dinge aus, denn wenn mich das Überleben des Krebs eines gelehrt hat, dann dass ich hier und jetzt leben will. Ich möchte alle Möglichkeiten, die ich für mich selbst als gut bewerte, ergreifen, mich selbst auf die Probe stellen und ausprobieren, ob ich letzten Endes noch mehr machen kann als nur Musik. Doch natürlich ist Musik immer noch meine größte Liebe und Leidenschaft. Und jetzt bin ich wieder da – mit einem Album, das verdammt noch mal erobernd und dominierend ist. Es ist das ultimative Behemoth-Album.
„The Satanist“ ist mal wieder ein unglaublich finsteres, dunkles Album. Normalerweise würde man von jemandem, der gerade den Tod besiegt hat, vielleicht ein etwas positiveres Album erwarten.
Nun, auf der einen Seite ist das Album natürlich sehr radikal, düster und unheimlich und einfach nur evil as fuck. Aber ich weiß, was du damit meinst. Für mich ist „The Satanist“ aber auch ein lebendiges Album. Ich bin ein lebensbejahender Motherfucker! Das bin ich schon immer gewesen, doch seit ich dem Tod entkommen bin, lobe und feiere ich das Leben nur umso mehr. Denn für mich ist das Bejahen des Lebens das Gleiche wie das Bejahen des Todes. Den Tod anzunehmen, ist eine ebenso starke Agenda wie das Leben anzubeten. Noch einmal: Für mich ist es ein lebendiges, positives Album.
„The Satanist“ ist ein einfacher, aber effektiver Titel…
Er ist sehr ehrlich und direkt, ohne Bullshit und Spielereien. Ich kann mir nichts denken, was das toppen könnte. Besonders für eine Band wie uns, die sich in der Vergangenheit mit all diesem Scheiß auseinandersetzen musste. Aber wir sind immer noch hier, mit unserem zehnten Album, für das wir einen Titel ausgewählt haben, der sich total natürlich anfühlt. Ich weiß, dass es ein paar Typen, ein paar Nörgler geben wird, die darüber lästern werden, wie klischeehaft dieser Titel ist, aber das ist mir sowas von scheißegal. Ich habe den Weg eines Künstlers eingeschlagen, damit ich meine Meinung sagen und mich so ausdrücken kann, wie ich es will – und nicht so, wie es andere von mir wollen. Punkt.
Würdest du sagen, dass Behemoth die Antithese zum Christentum ist?
Behemoth als artistisches Wesen hat so viele Levels und Dimensionen, dass es zu einfach wäre, uns bloß als antichristlich zu bezeichnen. Natürlich sind wir eine antireligiöse Band und insbesondere antichristlich, das kann ich nicht verneinen Es liegt in meinen Genen, in meinem Blut, gegen Dogmen und Gebote und Traditionen zu rebellieren, mit denen ich nicht einverstanden bin. Das ist mein tägliches Brot. Trotzdem sind wir auch sehr viel mehr. Behemoth antichristlich zu nennen ist so, als würde man Behemoth eine Black-Metal-Band nennen. Sind wir eine Black-Metal-Band? Na klar, aber wir sind zugleich auch Abertausend andere Dinge, die uns zu dem machen, was wir sind.
Nichtsdestotrotz definiert ihr euch ja stark über das Antireligiöse, bestes Beispiel: der Titel „The Satanist“. Wenn es keine Religion gäbe, gäbe es dann überhaupt Behemoth?
Das weiß ich nicht, Mann. Ich denke nicht gerne über das „was wäre, wenn?“ nach. Es ist, was es ist, und wir sind, wer wir sind.
Du bist katholisch erzogen worden, richtig?
Ja, wie 99 Prozent aller Kinder in diesem Land.
Ist Behemoth dann auch eine Art Rebellion dagegen, dass das Christentum einen so großen Stellenwert in Polen hat?
Es stimmt, dass es immer noch eine sehr große Rolle bei uns spielt. Doch es kommen immer neue Generationen von Menschen, wir haben unsere Grenzen für die Welt geöffnet, wir vermischen uns und reisen und lernen andere Kulturen kennen, in denen die Menschen anders ticken als bei uns. Das stimuliert die Menschen dieser neuen Generation, für sich selbst zu denken und nicht einfach nur das zu tun, was andere wie zum Beispiel unsere Eltern von uns erwarten. Für mich hat dieser antichristliche Prozess angefangen, als ich anfing, eigene Entscheidungen zu treffen. Natürlich war das auch mit der Musik verbunden, die ich hörte, und dem Heavy Metal, der mich angezogen hat und selbst diesen rebellischen Geist in sich trägt. Antichristlich zu sein, ist aber nicht nur ein Black-Metal-Ding. Viele Teenager, die sich entschließen einen anderen Weg zu gehen, haben vermutlich noch nie von Behemoth gehört. Sie fangen nur an, für sich selbst zu denken, und definieren sich auf eine völlig andere Art – und das ist gut so.
Deine Gefühle gegenüber Religion scheinen aber besonders ausgeprägt zu sein.
Ach, ich bin auch nicht mehr so aggressiv, wie ich es mal war. Es wird dich vermutlich überraschen, wenn ich dir sage, dass einige meiner engsten Freunde Christen sind. Und ich kann dir versichern, dass wir uns keine Faustkämpfe liefern. Meistens fangen wir gar nicht erst an, religiöse Themen zu diskutieren, weil wir wissen, dass wir auf unterschiedlichen Seiten der Barrikade stehen. Doch es gibt so viele andere Level, auf denen wir kommunizieren und koexistieren können, dass wir das Religiöse einfach ausblenden und eine schöne Zeit haben, ohne über Jesus zu reden. Also scheiß auf ihn!
Als du krank wurdest und es ziemlich übel für dich aussah, bist du da nie eingeknickt und hast etwas gedacht wie „Das ist die Strafe Gottes“ – selbst wenn du nicht an ihn glaubst?
Sorry, dass ich dich enttäuschen muss, aber nein (lacht). Um ehrlich zu sein bin ich sogar noch radikaler geworden, als ich im Krankenhaus war, weil ich viele Nachrichten von unterschiedlichen religiösen Gruppen bekam, die mich bekehren und auf die andere Seite ziehen wollten. Die haben versucht, mich davon zu überzeugen, dass es einen Erlöser gibt und dass ich vermutlich nicht ins Paradies einziehe. Das hat mir nur umso mehr gezeigt, dass ich kein Teil davon bin und auch nie sein werde. „Über meine Leiche“, das habe ich denen gesagt. Und nun sitze ich hier, bin völlig gesund und glücklich. Offensichtlich habe ich mich durch diese Erfahrung auf mentaler Ebene stark verändert. Doch ich habe nie meine Ideale verändert. Ich bin schon immer ein Freidenker gewesen – und freies Denken steht für mich im Widerspruch dazu, anderer Leute Regeln zu befolgen.
In der Not soll ja schon so mancher zum Glauben gefunden haben.
Die Menschen sind komplexe Kreaturen. Ich kann nur über mich selbst reden und von meinen Erfahrungen berichten. Lass die Leute sein können, was sie sein wollen. Ich bin hier nicht auf einer Mission, die Menschen zum invertierten Kreuz oder was auch immer zu konvertieren. Ich bin auf einer Mission, die menschen zum selbstständigen Denken anzuregen.
Also sprach Nergal.
Und so schaut es aus, das grandiose neue BEHEMOTH-Album „The Satanist“ – einfach, aber effektiv. Genauso wie sein Titel:
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