Seit zehn Jahren wird in Hollywood munter über eine Verfilmung von Stephen Kings Romanreihe „The Dark Tower“ diskutiert. Zuerst sollte es „Lost“-, „Star Trek„- und „Star Wars“-Guru J.J. Abrams machen, dann Ron Howard („Illuminati“). Aller guten Dinge sind drei: Nun hat Nikolaj Arcel („Insel der verlorenen Seelen“) den Job tatsächlich gemacht. Hat er diese schier übermächtige Aufgabe erfolgreich vollbracht und Kings Werk den Film gegeben, den es verdient?
Ist Kings Romanreihe einfach unverfilmbar?
Ok, ich lass gleich mal die Hose runter: Ich gehöre zu den Menschen, die „Der dunkle Turm“ nicht gelesen haben. Mea Culpa, Schande über mein Haupt, Vollspaten, I know. Andererseits kann ich den Film auf diese Weise als reinen Film bewerten, ohne durch den mythologischen Unterbau der Romane beeinflusst zu sein. Eins kann ich aber sagen: Ich stand nach der Pressevorführung mit einigen sehr geschätzten Kollegen beisammen, die allesamt die Romane gelesen hatten und enttäuscht die Köpfe schüttelten. (Derzeit) 18 Prozent positive Film-Bewertungen bei Rotten Tomatoes sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache.
Schon bei der Lauflänge wurde ich im Vorfeld der Pressevorführung etwas stutzig: nur anderthalb Stunden? Hollywood-Filme, die heutzutage schmale 90 Minuten gehen, kannst du eigentlich zum Großteil vergessen. Es sei denn, es sind Komödien. Aber gerade der erste Teil einer (eigentlich mal angedachten) Film-Franchise zum Werk eines der größten Schriftstellers unserer Zeit braucht doch wohl bitte mehr als das! Dazu muss ich nicht mal die Bücher gelesen haben, um das zu ahnen. Etabliert doch einfach erst mal das Universum, bevor ihr es einreißt, liebe Drehbuchschreiber. Das ist ja fast so, als hätte man aus „Der Herr der Ringe“ einen 90-Minüter gemacht.
Ist der schwarze Turm real?
‚Egal, vielleicht liefert „Der dunkle Turm“ ja eine Überraschung‘, blieb ich optimistisch – soll’s ja geben! Allerdings geht der Film dermaßen schnell in medias res, dass man als kenntnisloser Zuschauer kaum hinterherkommt: Teenager Jake Chambers (Tom Taylor – nein, nicht der mit den Klamotten) wird von schlimmen Visionen geplagt, in denen er einen schwarzen Mann sieht, der Kinder foltert und mit ihrer Hilfe einen mysteriösen schwarzen Turm zerstören will. Ein anderer Mann wiederum stellt dem Unhold nach und versucht vergebens ihn mit seinen beiden Revolvern zur Strecke zu bringen. Jake ist dermaßen von diesen Figuren besessen, dass er bereits unzählige Bilder von ihnen angefertigt hat und von ihrer Existenz überzeugt ist. Sehr zur Besorgnis seiner Mutter (Katheryn Winnick aus „Vikings“!), die den Tod seines Vaters als Ursache von Jakes Albträumen sieht und sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als ihn in eine Klinik einzuweisen.
Doch Jake büxt aus, findet ein magisches Portal, das er in seinen Visionen gesehen hat, geht hindurch und… landet in Mittwelt! Im kargen Ödland dieser Parallelwelt trifft er auf Revolvermann Roland Deschain (Idris Elba aus „Thor„), den er fortan bei seinem Rachefeldzug gegen den dunklen Magier Walter o’Dim (Matthew McConaughey) unterstützt. Jener nämlich will den dunklen Turm zerstören, der das Universum zusammenhält und vor außerirdischen Monstern beschützt. Auf ihrer Quest müssen die beiden auch in Jakes Welt zurück – doch dort warten Walters Schergen schon auf sie.
Die Romanmythologie der leichten Verdaulichkeit geopfert
So die grobe Handlung, wie ich sie als „unvorbelasteter“ Film-Seher umreißen würde. Und diese Menschen kann und will der Film ja nicht ausschließen – schließlich kann man sich bei einem Budget von 60 Millionen Dollar nicht allein auf die Leser der Romane verlassen. Du brauchst auch die, die die Bücher nicht kennen, und musst sie entsprechend handlungsmäßig und mythologisch abholen. Leider gelingt Nikolaj Arcel das nicht so wirklich. Was aus Stephen-King-Fan-Sicht sicher nicht so schlimm gewesen wäre, wenn denn wenigstens der Film nah am Werk gewesen und die Mythologie um den „Schwarzen Turm“ ähnlich ansprechend inszeniert wäre, wie King sie in seinen Büchern aufgebaut hat. Das (habe ich mir sagen lassen) ist aber leider auch nicht der Fall.
Aus meiner Sicht bleibt ein durchschnittlicher Fantasy-Action-Western, der zwar irgendwie entertaining ist und natürlich von seinen starken Darstellern profitiert, letztlich aber eher an Fantasy-Murks à la „Duell der Magier“ erinnert als an eine Stephen-King-Verfilmung. Sorry for nörgeling, aber das kann man besser machen. Siehe die Verfilmungen der „Hunger Games“ oder auch der „Maze Runner“-Bücher. Ich mag gar nicht glauben, dass Anders Thomas Jensen mit am Drehbuch geschrieben hat – der Mann, der für göttliche Komödie wie „Dänische Delikatessen“ oder „Adams Äpfel“ steht.
Wie auch immer: Ihr werdet euch sicher selbst euer Urteil bilden wollen – ich bin gespannt, was ihr zu „Der dunkle Turm“ sagt!
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