Zhang Yimou, Regisseur von bildgewaltigem Asiakino wie „Hero“ oder „House Of Flying Daggers“, liefert mit dem 150 Millionen Dollar schweren Fantasy-Abenteuer „The Great Wall“ seinen bislang fettesten (und zudem ersten englischsprachigen) Film ab. Und damit das Projekt auch ja nicht in die Binsen geht, hat er sich mit Matt Damon einen der größten Filmstars Hollywoods für die Hauptrolle gesichert.
Fantasy-Action mit China-Aroma
Wer bei „The Great Wall“ ein historisches Schlachtenepos erwartet, dürfte sich ziemlich wundern, wenn er auf einmal Horden von echsenartigen Monstern über die Leinwand huschen sieht. Man stelle sich das Ganze also eher wie „Der Herr der Ringe“ auf dem Alienplaneten des letzten „Riddick“-Films vor. Mit einem Robin-Hood-Verschnitt als Held.
China, irgendwann im Mittelalter: Der aus Europa stammende Söldner William Garin (Matt Damon) ist mit ein paar Genossen unterwegs, um im chinesischen Kaiserreich die sagenumwobene Erfindung des Schwarzpulvers aufzuspüren und in seiner Heimat teuer zu verkaufen. Als seine Truppe eines Nachts von einem merkwürdigen Monster angegriffen wird, kommen nur William und sein Kumpel Pero (Pedro Pascal, ein gewisser Oberyn Martell aus einer gewissen Serie namens „Game Of Thrones“ mit dem Leben davon. Nun müssen sie zu zweit den berittenen Banditen entkommen, die sie schon länger verfolgen. Doch sie haben „Glück“: Auf ihrer Flucht landen sie plötzlich vor den Toren der legendären Chinesischen Mauer und werden vom kommandierenden General gefangengenommen. Als man bei William die abgehackte Klaue des Monsters entdeckt, trauen die Soldaten ihren Augen nicht: Diese beiden „Wilden“ sollen ein „Tao tie“ zur Strecke gebracht haben?
Noch bevor William, der übrigens ein nahezu unfehlbarer Bogenschütze ist, und Pero überhaupt so richtig verstehen, was hier vor sich geht, wird auch schon die komplette Mauer-Armee in Alarmbereitschaft versetzt: Die Monster-Armee der Tao tie, die sich alle 60 Jahre erheben um das Kaiserreich zu terrorisieren, steht plötzlich vor den Toren und die beiden Fremdlinge werden in einen jahrtausendealten Krieg hineingezogen.
Alle 60 Jahre wieder kommen die Monster
Zhang Yimou weiß ja schon, wie man mit einem mittelmäßigen Budget bombastische Bilder auf die Kinoleinwand zaubert – mit 150 Millionen Dollar liefert er nun logischerweise ein bildgewaltiges Actionabenteuer der Sonderklasse ab! Die Story ist natürlich komplett Banane: Ein Komet soll einst in einen Berg eingeschlagen sein und die Tao tie entfesselt haben, die sich seither alle 60 Jahre erheben, um die Menschen zu vernichten. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie sie beim Drehbuchschreiben hin und her überlegt und hart diskutiert haben: „Machen wir alle 50 Jahre?“ „Nein, lieber alle 70!“ „Ok, dann lass uns doch einfach 60 sagen – Deal?“
Aber ist ja eigentlich auch völlig egal – „The Great Wall“ ist nun mal ein Fantasy-Abenteuer, dessen Sinn man nicht hinterfragen und sich stattdessen lieber an den spektakulären Kampfszenen erfreuen sollte. Mit von der Partie sind übrigens auch noch Willem Dafoe, Jing Tian (die im kommenden „King Kong“-Reboot und „Pacific Rim: Uprising“ mitspielen wird) und Hongkong-Legende Andy Lau.
Exkurs zu Hollywoods China-Einschmeichelei
„The Great Wall“ offenbart allerdings auch etwas, das ziemlich bedenklich ist: Die derzeitige Unterminierung des Hollywoodkinos durch bzw. dessen Anbiederung an China. Nirgends auf der Welt winken den US-Studios momentan dermaßen hohe Gewinnaussichten wie in der Volksrepublik – daher gibt es auch in großen Hollywoodfilmen schon seit längerem mehr oder weniger dezente Zugeständnisse an das Reich der Mitte. Beispiele? Erinnert ihr euch an das asiatische Sidekick-Kriegergespann in „Rogue One – A Star Wars Story„? Oder den tibetanischen Mystiker aus der Comicvorlage zu „Doctor Strange„? Der wurde im Film einfach mal in einen Kelten umgewandelt – ein Tibeter hätte bestimmt Ärger mit Chinas Zensurbehörde gegeben. Schließlich hat der Film ein Sechstel seiner im Kino eingespielten 660 Millionen Dollar in China gemacht.
Ist doch alles nicht so schlimm, denkt man sich jetzt vielleicht, werden halt ein paar Zugeständnisse an die Chinesen gemacht und alle sind happy. Doch für freie Kunst ist diese Entwicklung eine Katastrophe. Und für das Medium Film als Sprachrohr der Meinungsfreiheit allemal (obwohl wir uns davon ja eigentlich auch in Hollywood mehr oder schon verabschiedet haben). Die chinesische Medienbehörde SARFT, die jährlich nur etwa drei Dutzend ausländische Filmstarts in China zulässt, setzt hohe Zensurkriterien an: Gesellschaftliche Harmonie, politische Sicherheit und konfuzianische Werten sollen propagiert werden – Alkohol, Drogen, Gewalt oder gar Sex sind Tabu. Und jetzt frage ich euch: Wollt ihr wirklich (nur noch) solch blutlose, glattgebügelte Blockbuster sehen? Das ist echt alles andere als Rock’n’Roll. Wenn die US-Studios anfangen, nach diesen Kriterien ihre Filme auszuwählen, dann gute Nacht und willkommen zurück in den 50ern. Kracher wie „Deadpool“ (der übrigens nicht in China lief, dafür aber trotzdem einer der 10 erfolgreichsten Filme in 2016 war) hätte es so schließlich gar nicht erst gegeben.
Kinokracher mit Beigeschmack
„The Great Wall“ fügt sich jedenfalls perfekt in Chinas Anforderungskanon und wird somit vermutlich ein internationaler Boxoffice-Hit werden: Es gibt keine Sexszenen, die (blutlose!) Gewalt richtet sich nur gegen Monster und der Held triumphiert erst, als er seine sozial(istisch)e Ader entdeckt.
Okay, vielleicht ist „The Great Wall“ einfach nur ein imposantes Kinospektakel, dem es als einem der ersten Blockbuster gelingt, das westliche und das chinesische Kinopublikum gleichermaßen anzusprechen. Also: Besorgt euch Popcorn, setzt die 3D-Brille auf und habt Spaß im Kino! Und denkt danach vielleicht mal drüber nach, ob ihr diese angleichenden Entwicklungen im Kino nicht auch ein bisschen bedenklich findet. Noch dazu wenn sie sich auf ein Land beziehen, das (nicht nur) kulturell dermaßen vom Propaganda-Apparat des Regimes unterminiert ist.
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