Zugegeben, die Antwort auf die in der Überschrift stehende Frage hängt zum Großteil auch damit zusammen, ob man lieber Queen oder Elton John hört. Aber: Ich höre eigentlich lieber Queen, würde aber trotzdem sagen, dass „Rocketman“ besser als „Bohemian Rhapsody“ ist. Und das, wo ich doch das Queen-Biopic so schamlos abgefeiert habe. Macht euch also in diesem Review auf weitere Abfeierei gefasst…
Zunächst aber zu den Fakten. Lange hat es gedauert, bis das bereits seit Anfang des Jahrtausends geplante Elton-John-Biopic endlich umgesetzt wurde. Und lustigerweise läuft es nun nur ein halbes Jahr nach der Queen-Hommage „Bohemian Rhapsody“ im Kino an, die dem Leben von Sänger Freddie Mercury ein schillerndes Denkmal setzte und zahlreiche Preise – darunter Academy Awards und Golden Globes – einheimste. Wenn „Rocketman“ ebenso gut im Kino performt wie „Bohemian Rhapsody“ (der satte 900 Millionen Dollar einspielte), dann dürfen wir uns vermutlich in den kommenden Jahren auf noch mehr Musiker-Biopics gefasst machen. Auch Acts wie Mötley Crüe („The Dirt“) oder N.W.A. („Straight Outta Compton“) haben ja in letzter Zeit vielbeachtete Filme bekommen. Ich jedenfalls wünsche mir das Nirvana-Biopic „Territorial Pissings“, den Lemmy -Horrorfilm „Killed By Death“ und das Led Zeppelin -Musical „Stairway To Heaven“. Aber das nur so am Rande.
Vom Wunderkind zum Superstar
„Rocketman“ erzählt die Geschichte von Elton John im Rückblick-Verfahren, ausgehend von seiner Entzugskur Anfang der 1980er Jahre. Wir erfahren, dass der kleine Reggie Kenneth Dwight ein wahres Wunderkind am Piano ist, in seiner Kindheit jedoch stark unter der mangelnden Zuneigung seiner Eltern leidet. Der Vater ist ein emotionales Wrack und die Mutter vergnügt sich längst anderswo. Seine Oma bringt ihn immerhin zur Royal Academy of Music in London, wo er im Alter von nur elf Jahren zu studieren beginnt.
Fast Forward: Ein paar Jahre später verdingt sich Reggie als Pub-Pianist und Backgroundmusiker – doch er will mehr und schlägt 1967 beim Musiklabel Liberty Records auf, das ihn zunächst abwimmeln will. Gerade noch kann Reggie, der sich ab jetzt Elton John nennt, eine Mappe mit Lyrics abgreifen, die ein Texter namens Bernie Taupin eingereicht hatte. Die beiden treffen sich – und der Rest ist Musikgeschichte: Elton startet dank Bernies Texten und seinen eigenen genialen Songs durch und bekommt sogar in den Staaten ein Bein in die Tür. Schnell liegt ihm die ganze Welt zu Füßen.
Doch die dunklen Seiten des Musikbusiness lassen nicht lange auf sich warten: Von seinem neuen Manager und Lover John Reid (Richard Madden aus „Game Of Thrones“) enttäuscht und betrogen, trudelt Elton immer tiefer in der Abwärtsspirale aus Alkohol und Drogen hinab – bis er sich fast aus dem Leben schießt.
Taron Egerton ist Elton John
Was wäre die Musikgeschichte ohne Songs wie „Tiny Dancer“, „I’m Still Standing“, „Don’t Go Breaking My Heart“ oder den titelgebenden „Rocket Man“? Ganz richtig: um einiges ärmer! Elton John hat der Rockmusik für immer seinen Stempel aufgedrückt und durch seine durchgeknallten, schrillen Bühnenoutfits immer wieder für visuelle Highlights gesorgt. Der Mann weiß einfach, wie Entertainment geht, was er aktuell ja auch auf seiner großen Abschiedstour „Farewell Yellow Brick Road“ live auf der Bühne beweist.
Große Leinwandfußstapfen also, die Taron Egerton („The King’s Man“) hier füllen muss. Doch der junge Schauspieler meistert diese schwierige Rolle mit Bravour – und singt auch noch alle Songs in „Rocketman“ selbst. Der absolute Hammer! Ob ihr nun Elton-John-Fans seid oder nicht, völlig egal: Diesen Film sollte jeder Musikfreund im Kino gesehen haben.
Und dann entscheidet selber, welchen ihr besser findet: „Rocketman“ oder „Bohemian Rhapsody“.