Shakespeare. Eieiei. Zu anstrengend für einen Kinobesuch, bei dem man seine Birne doch eigentlich eher in den Standby-Modus stellen mag? Keine Frage: Standby muss sein und macht oft auch richtig Spaß. Aber ich sage euch, ihr Shakespeare-Naserümpfer: Wenn ihr euch „Macbeth“ nicht auf der großen Leinwand reinschraubt, entgeht euch eins der faszinierendsten Kinoerlebnisse des Jahres!
Klassische Story, fantastische Bilder
Okay, ist wie immer alles eine Frage des Geschmacks. Und ich gestehe auch, dass ich mal Anglistik studiert und deswegen eine natürlich Affinität zu Shakespeare habe. Aber: Justin Kurzels neue Adaption des über 400 Jahre alten Dramas ist für mich eher eine düstere Mischung aus „Braveheart“ und „Walhalla Rising“ als eine trockene Literaturverfilmung. Selbst wenn man nichts von der Geschichte verstehen sollte, müsste man den Film doch allein schon wegen seiner fantastischen Optik anschauen.
Die Handlung, bei der Regisseur Kurzel relativ nah an der Vorlage bleibt (wie nah man im Medium Film einem Weltwerk wie „Macbeth“ eben kommen kann): Der tapfere Gefolgsmann Macbeth (Michael Fassbender, „X-Men“, „Inglourious Basterds„) führt die schottischen Streitkräfte im Namen von König Duncan (David Thewlis) in die blutige Schlacht gegen die Kronrebellen. Als nach dem Gemetzel, das Macbeth und seine Männer für sich entscheiden können, der Nebel über das Schlachtfeld streift, treffen Macbeth und sein Freund Banquo auf vier mysteriöse Hexen, die ihnen eine sonderbare Prophezeiung überbringen: Macbeth soll bald zum Thane von Cawdor aufsteigen und später sogar mal König werden – Banquo wiederum soll einmal Vater von Königen sein.
Als Macbeth kurz darauf vom König zum Thane von Cawdor ernannt wird, scheint an der Sache tatsächlich etwas Wahres dran zu sein. Seine machthungrige Gemahlin (Marion Cotillard) drängt ihn daraufhin, die Dinge ein wenig zu beschleunigen. Macbeth zögert zunächst, doch seine Lady schafft es schließlich, ihn zur schändlichen Tat zu bewegen: Als ihnen der König einen Besuch abstattet, metzelt er ihn in seinem Bette entzwei und schiebt die Schuld Duncans Sohn in die Schuhe, der daraufhin flieht. Wie prophezeit, wird Macbeth nun tatsächlich zum König gekrönt. Doch… war da nicht noch eine andere Weissagung? Einmal über den mörderischen Schatten gesprungen, fällt der neue König Stück für Stück dem Wahnsinn anheim
Fassbender brilliert mal wieder
Die Story von der sich selbst erfüllenden Prophezeiung und dem über seine Machtgier und Paranoia den Verstand verlierenden König ist zwar schon einige hundert Jahre alt, hat aber meiner Meinung auch heute nichts von ihrer Anziehungskraft und Relevanz verloren. Natürlich ist diese „Macbeth“-Verfilmung nicht in der Alltagssprache des 21. Jahrhunderts gehalten, doch es ist auch nicht so, dass man bei den Shakespeare’schen Versen nur Bahnhof verstehen würde. Im Gegenteil: Hier merkt man mal wieder, welche Kraft und Schönheit unsere Sprache doch eigentlich hat – und wie wir sie im Laufe der Jahre haben verkommen lassen. Ich meine jetzt nicht, dass wir alle wieder wie anno dazumal sprechen sollten, aber den aktiven Wortschatz mal wieder ein wenig zu erweitern und die gute alte Metapher anzuwenden, kann doch auch nicht schaden.
Fassbender jedenfalls spielt den irren Macbeth mal wieder absolut meisterlich und belegt, dass er zu Recht als einer der besten Charakterdarsteller Hollywoods gilt. Auch der Rest des Casts kann sich sehen lassen: Paddy Considine („Kind 44„), Sean Harris („Mission Impossible: Rogue Nation„), Jack Reynor („Transformers: Age of Extinction“) und ein paar andere erstklassige Mimen veredeln diese (natürlich) britische Shakespeare-Verfilmung.
Morbide Bilder vom „True Detective“-Kameramann
Wie gesagt: Wenn es nicht die Handlung oder die Performances sind, die euch zu einem Kinobesuch von „Macbeth“ bewegen, sollte es wenigstens die fantastische Inszenierung sein: Die düsteren Bilder von „Top of the Lake“- und „True Detective„-Kameramann Adam Arkapaw sind von morbider Eleganz und verströmen eine verstörende Atmosphäre – auch wenn sie am Ende vielleicht ein wenig zu stark ins Plakative abgleiten (Rot, alles Rot!). Egal – die Optik von „Macbeth“ ist schlichtweg überwältigend.
All diese starken Einzelteile hat Regisseur Justin Kurzel, der übrigens auch bei der nächstes Jahr ins Kino kommenden „Assassin’s Creed„-Verfilmung Regie führen wird, bei der kurioserweise ebenfalls Fassbender und Cotillard die Hauptrollen spielen und Adam Arkapaw die Kamera führen wird (das wird ja ein Fest werden!), zu einem faszinierenden Ganzen vereint, das jeden wahren Kinofreund glücklich machen sollte. Shakespeare-Verehrung ist hier von Vorteil, aber wirklich kein Muss.
Für mich ist „Macbeth“ in jedem Fall einer der besten Filme des Jahres! Ich meine, guckt euch den Trailer doch einfach nur mal an…!? Ich dreh durch! Oder: „Von Skorpionen voll ist mein Gemüt!“
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