Wenn ein Film von der Times als „Taxi Driver des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet wird… muss man dann noch viel über ihn sagen? Eigentlich nicht, doch die Romanverfilmung „A Beautiful Day“ mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle ist ein dermaßen furioser Kinotrip, dass es nahezu schändlich wäre, ihn nicht mit einer orgiastischen Lobeshymne zu überziehen. Alles klar, legen wir los!
Wir müssen über „A Beautiful Day“ reden
Wer Lynne Ramsays Drama „We Need To Talk About Kevin“ von 2011 gesehen hat, wird vermutlich erahnen können, warum ihr nächster Spielfilm „A Beautiful Day“ (übrigens eine 1:1-Übersetzung des englischen Originaltitels „You Were Never Really Here“) momentan allerorts abgefeiert wird. Wobei… was heißt „momentan“? Bereits im Mai 2017 lief eine angeblich noch nicht finale Version des Films im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes, wo Ramsay für das beste Drehbuch und Phoenix als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurden. Sieben Minuten lang soll es Standing Ovations gegeben haben.
Welch wunderschöner Tag
In Martin Scorseses Noir-Thriller „Taxi Driver“ rettete der Amok laufende Travis Bickle (Robert De Niro) seinerzeit ein junges Mädchen (Jodie Foster) aus den Fängen eines Zuhälters (Harvey Keitel). Insofern ist der Vergleich naheliegend – schließlich spielt Joaquin Phoenix in „A Beautiful Day“ einen abgewrackten und traumatisierten Ex-Agenten, der (anders als Bickle gegen entsprechendes Entgelt) entführte Mädchen aus den Fängen von Sexhändlern rettet. Und dabei die bösen Buben gerne mal mit einem Hammer zu Hackfleisch zerknüppelt. Weil sie es nicht anders verdient haben.
„Privat“ ist Joe hingegen ein ganz umgänglicher Typ. Rührend kümmert er sich zum Beispiel um seine greise Mutter in ihrem alten Haus.
Sein neuer Auftrag jedoch eskaliert massiv: Als Joe die Tochter des Senators Votto (Alex Manette) in einem New Yorker Bordell aufspürt und auf dem Weg dahin diverse Bewacher kaltmacht, wird er plötzlich von FBI-Agenten gestellt. Ob das so eine gute Idee von denen war?
Phoenix als hämmernder Racheengel
Wie ein komplett geistesgestörter Mix aus „Taxi Driver“, „96 Hours“, „Drive“ und „The Raid 2“ mutet diese saubrutale und phänomenal inszenierte Racheodyssee an, in der Phoenix als wohl abgefucktester Held der jüngeren Kinogeschichte mit stoisch-verstörender Präzision alles kaputtknüppelt, was sich ihm in den Weg stellt.
Wer geglaubt hat, Lynne Ramsay würde sich künstlerisch nur schwer vom Desaster mit dem Western „Jane Got a Gun“ (mit Natalie Portman), bei dem sie kurz vor Drehbeginn wegen kreativer Differenzen mit dem Produzenten das Handtuch schmiss, erholen, der sieht sich maximal getäuscht. Dieser Rache-Thriller, der auf Jonathan Ames gleichnamigem Roman basiert, ist einfach nur ganz großes, aufs Wesentliche reduziertes Kino. Und Joaquin Phoenix ist super-sick!
Der Trailer zu „A Beautiful Day“