„Schon wieder Kino? Was sollen wir denn noch alles schauen?!“ Ja, ich weiß: Bei dem guten Wetter gibt es bessere Dinge, als sich abends in einen stickigen Kinosaal zu setzen. Aber: Danny Boyles Thriller „Trance“ ist einer der Filme des Jahres – ich schwöre!
Sicher muss man auch ein wenig Boyle-Fan sein, um seinen neuen Streich derart euphorisch abzuhailen. Doch mal im Ernst: Hat der Mann schon mal einen wirklich schlechten Film abgeliefert? Eben. Zu „Trainspotting“ muss man wohl kein Wort mehr verlieren, „28 Days Later“ war großes Zombiekino, „Slumdog Millionär“ zu Recht ein Oscar-Hit und „127 Hours“ ein grandioser Real-Life-Abenteuer-Schocker. Mit seinem neuesten Streich entwirft der kultige Brite nun eine Mischung aus Kunstraub-Thriller, Heist-Actioner und Psycho-Drama – ein Film, wie ihn nur ein Regie-Genie der Marke Danny Boyle abliefern kann.
Blöde Sache: Als er während eines Kunstraubes eins über die Glocke bekommt, verliert Auktionator Simon (James McAvoy) sein Kurzzeitgedächtnis. Noch blödere Sache: Er selbst hat die Nummer mit der Bande von Ganove Franck (Vincent Cassel) eingefädelt, und weiß nun nicht mehr, wo er das geklaute Gemälde versteckt hat. Da Franck und Co. auch mit der standardmäßigen Foltermethode nichts aus ihm herauskriegen, gibt es nur eine Lösung: Sie schicken ihn zu einer Hypnosetherapeutin (Rrrrrosario Dawson), die in Simons Unterbewusstsein vordringen und das Versteck der Beute ausfindig machen soll – ohne selbst vom Raub zu erfahren. Je tiefer sie in seine Psyche hinabtaucht, desto mehr verwischen die Grenzen zwischen Realität und Wahn.
Wenn ich jetzt andernorts schon wieder lese, dass einige Plot-Wendungen in „Trance“ überraschend und schwer nachzuvollziehen wären, könnt ich mir uffregen: Da kommt endlich mal wieder ein cleverer, wendungsreicher und aufmerksamkeitsfordernder Thriller daher, der eben nicht vom 08/15-Reißbrett stammt, und dann soll er zu verschachtelt und kompliziert sein?! Will denn niemand mehr im Kino gefordert und überrascht anstatt mit den immergleichen Schemata betäubt werden? Also ich will das. Und saß deswegen auch mit großen Augen und dümmlichem Grinsen im Gesicht im Kinosessel.
Zumal Boyle hier auch aus bildästhetischer Sicht einen absolut grandiosen Film abliefert – und das nicht nur (aber auch) weil Rosario Dawson mal wieder komplett blank zieht. Die Bildkompositionen, Farben, Perspektiven und Trance-Effekte sind so genial und suggestiv in die clevere Story eingewoben, dass man allein von der Kunstfertigkeit dieses Werks überwältigt sein muss. Und auch die Besetzung der durchweg multidimensionalen Charaktere und vor allem der männlichen Antagonisten passt perfekt: Dass er den ambivalenten Bösewicht bestens beherrscht, hat Cassel ja bereits in „Black Swan“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt, und James McAvoy ist seit Krachern wie „Wanted“ oder „X-Men: Erste Entscheidung“ ohnehin eine sichere Bank. (Und wird übrigens ab 17.10. mit „Drecksau“ einen weiteren Kandidaten für die Kino-Jahres-Top-10 abliefern).
Fakt ist: Wer einen sauspannenden Thriller mit einer sauguten Story sehen will und/oder Danny Boyles einzigartige Bildsprache bewundert, der sollte sich „Trance“ gefälligst anschauen. Im Kino. Jetzt.
Hier was zum Reinschnuppern:
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