„Der Floh“, „Die hinterlistige Hirschkuh“ und „Die geschundene Alte“ – so lauten die Titel der märchenhaften Erzählungen, auf denen Matteo Garrones „Das Märchen der Märchen“ basiert. Die Geschichten stammen aus der Märchensammlung „Pentameron“ aus der Feder des italienischen Schriftstellers Giambattista Basile, die in den 1630er Jahren erschienen ist. Soviel zum Background dieser italienisch-französisch-britischen Koproduktion, die trotz ihres schmalen Budgets von ca. 15 Millionen Dollar einige bekannte Hollywoodmimen für sich gewinnen konnte.
Drei Märchen im Märchen
Ehrlich gesagt ist „Das Märchen der Märchen“ eine ziemlich schräge Angelegenheit: Durch die Dreiteilung des Films in die unterschiedlichen Geschichten, die sich ganz lose überschneiden, springt man ständig zwischen den einzelnen Plots hin und her, die obendrein auch noch ein paar groteske Geschichten erzählen.
Zum einen ist da das Königspaar von Longtrellis (Salma Hayek und John C. Reilly), das sich nichts sehnlicher als ein Kind wünscht – nur leider kann die Königin keine bekommen. Also nehmen die beiden einen Tipp von einem mysteriösen Geisterbeschwörer an: Der König soll ein Seeungeheuer töten und ihm das Herz rausschneiden. Eine Jungfrau soll dieses im Anschluss kochen, damit es die Königin dann essen kann. Eine Blitzschwangerschaft soll die Folge sein. Tatsächlich gelingt der Plan – doch der Preis, den die Eltern bezahlen müssen, ist hoch.
Aussehen ist nicht alles (aber ’ne Menge)
Zum anderen erzählt „Das Märchen der Märchen“ die Geschichte des mit massiver Libido ausgestatteten Königs von Strongcliff (Vincent Cassel), der eine Dame nach der anderen flachlegt und sich fellinischen Orgien hingibt. Als er eines Tages im Dorf die Stimme einer singenden Magd hört, ist es plötzlich um ihn geschehen: Er muss die holde Maid erobern, koste es, was es wolle. Was er jedoch (noch) nicht weiß: Imma und ihre Schwester Dora sind zwei alte, verschrumpelte Weibsbilder, die sich aus gutem Grunde kaum bei Tage blicken lassen. Als der König nicht locker lässt, gesellt sich eine von ihnen des Nachts in sein königliches Gemach – mit fatalen Folgen.
In der dritten Story will der König von Highhills (Toby Jones) sein hübsches Töchterlein bei sich im Palast behalten und denkt sich daher ein hinterlistiges Spiel für ihre Freier aus: Ihre Verehrer sollen die Herkunft einer mysteriösen Haut erraten, was eigentlich ziemlich unmöglich ist: Schließlich stammt sie von einem gigantischen Floh, den der König heimlich in seinen Gemächern großgezogen hat. Doch einer der Werber kann das Rätsel tatsächlich lösen – und es ist wahrlich nicht der perfekte Schwiegersohn.
Pentameron – Die Quelle aller Märchen
Basiles „Pentameron“ gilt als erste Märchensammlung überhaupt und diente vielen nachfolgenden Märchenerzählern wie den Gebrüdern Grimm oder Hans Christian Andersen als Inspirationsquelle. „Märchen der Märchen“ heißt sein Werk, weil es mehre Märchengeschichten in eine große Rahmenhandlung einbettet. Matteo Garrone, der durch seinen fantastischen Mafiafilm „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ bekannt geworden ist, folgt dieser Erzählweise und macht aus der Vorlage ein faszinierendes Kunstwerk. Sein Märchenfilm hat fantastische Bilder in intensiven Farben zu bieten und erinnert in seinen edlen Bildkompositionen des Öfteren an Tarsems „The Fall“ (falls den jemand kennen sollte; falls nicht: Kennenlernbefehl!).
Wichtig ist vielleicht noch zu erwähnen, dass „Das Märchen der Märchen“ beileibe kein Film für Kinder ist: Hier gibt es sowohl viel Blutiges zu sehen (wunderschön: Wie Salma Hayek à la Khaleesi in „Game Of Thrones„das Herz verspeist) als auch ein paar nackte Brüste (nein, leider nicht die von Selma).
So befremdlich die Themen auf den ersten Blick sein mögen – auf den zweiten haben sie auch knapp 400 Jahre nach ihrer Entstehung durchaus Bezug zur Gegenwart: Schönheits- und Jugendwahn werden ebenso thematisiert wie Egoismus und Selbstsucht. Auch hier gilt es also eine Moral zu erkennen – wie sich das für ein ordentliches Märchen gehört. Sicher ist dieser Film nicht jedermanns Sache, aber insgesamt ein ziemlich faszinierendes, weil völlig andersartiges Abenteuer. Wer eher auf traditionelle Fantasy steht, ist vermutlich bei „Herr der Ringe„, „Grimm“ oder „Maleficent“ besser aufgehoben. Andererseits… wer wagt, gewinnt!
„DAS MÄRCHEN DER MÄRCHEN“ – DER TRAILER