Lange, lange, lange hat es gedauert, bis das Fantasy-Spektakel „47 Ronin“ mit „Matrix“-Star Keanu Reeves in tragender Rolle endlich fertig war. Ursprünglich für einen Kinostart Ende 2012 geplant, wurde das Asia-Abenteuer immer wieder nach hinten geschoben: Man fertigte Reshoots an, motzte CGI-(3D-)Szenen auf und fügte eine ursprünglich nicht geplante Love Story sowie noch mehr Leinwandpräsenz von Reeves ein. Insgesamt schwoll das Produktionsbudget dadurch auf aberwitzige 175 Millionen Dollar an. Nun kommt der Film endlich in die Kinos – und man merkt ihm an, dass hier einiges nicht nach Plan gelaufen ist.
Vorweg noch mal eine Stellungnahme in eigener Sache: Beim Review zu „I, Frankenstein“ gab es ja vorige Woche einige Verstimmungen, weil ich den Film so niedergemacht habe. Ein Kritikpunkt: Man dürfe nicht nach Sinn und Logik bei einem Fantasyfilm suchen. Das sehe ich ehrlich gesagt anders: Es gibt viele Beispiele, in denen eine fantastische Handlung mit einem guten Drehbuch zu einem klasse Film umgesetzt wurde, der neben purer Unterhaltung und einem stimmigen Gesamtkonzept sogar noch ein paar interessante Aussagen über die Welt bereit hält, in der wir leben. Bestes Beispiel ist „Pans Labyrinth“ von Guillermo del Toro, der für mich vielleicht beste Fantasyfilm überhaupt. Del Toros Regie-Werke finde ich ohnehin durchweg gelungen – selbst wenn es um gigantomanische Karambolage-Action wie in „Pacific Rim“ geht, hat das alles Hand und Fuß, was er macht, und ist als Film konsistent. Aber auch „Herr der Ringe“ (plus „Der Hobbit“) oder „Game Of Thrones“ ist geniale Fantasy-Kost. Ich weiß gar nicht, warum die Vermutung aufkam, ich könnte generell nichts mit Fantasy anfangen, nur weil ich „I, Frankenstein“ lächerlich fand. Womit ich ja auch nicht der einzige bin, wie die Review-Sammlungs-Instanz Rotten Tomatoes beweist, wo der Film – Stand jetzt – mickrige 5% positive Bewertungen bekommen hat.
Aber wie ich ja bereits am Ende jener Kritik schrieb: Jeder hat einen anderen Geschmack. Ich werde fortan aber versuchen, potenziellen Guckern die Vorfreude auf einen Film nicht zu vermiesen und etwas subjektiver zu schreiben. Deal?
Nun zum eigentlichen Thema, ihm hier:
Eines Tages findet der Jagdtrupp von Fürst Asano den halbtoten Jüngling Kai im Wald, den der generöse Daimyō bei sich am Hofe aufnimmt, wo er zu einem stattlichen Krieger heranwächst. Sehr zum Verdruss des arroganten Oishi und der restlichen Samurai – ein Halbblut?! Geht ja gar nicht! Asanos Tochter Mika freilich denkt anders und verliebt sich in ihn – das ist die eingangs erwähnte Love Story. Der Frieden am Hofe wird jäh gestört, als Shogun Tokugawa und Fürst Kira eintreffen. Unterstützt von seiner persönlichen Leibhexe, lässt der machtgierige Kira seinen Konkurrenten Asano in eine Falle tappen, so dass dieser seine Ehre verliert und traditionsgemäß Seppuku begehen muss, um sie wiederherzustellen. Oishi und die anderen Samurai werden verbannt und zerstreuen sich als herrenlose Ronin in alle Windrichtungen, Kai wird als Sklave verkauft und Mika soll den miesen Kira in einem Jahr heiraten. Doch genau nach dieser Zeit trommelt Oishi die Truppe wieder zusammen und befreit auch Kai, um ihren verstorbenen Herren zu rächen.
Von Anfang an fehlt dieser Neuauflage des japanischen Nationalepos von den 47 Ronin, das bereits mehrfach (und dabei meistens grandios) verfilmt wurde, eine klare Linie: Die Szenen wirken stückhaft aneinander gereiht, als wären sie im Schneideraum hin und her geschoben und dann irgendwie als wildes Schnittgewitter zusammengetackert worden. Reshoots haben einem Film selten gut getan, und bei diesen „47 Ronin“ von Regiedebütant Carl Rinsch, der bis dato Werbefilme für Firmen wie Toyota (immerhin japanisch) oder Absolut Vodka gedreht hat, ist es nicht anders. Warum man einem Spielfilm-Novizen 175 Millionen Dollar in die Hand drückt, bleibt das Geheimnis des Studios Universal Pictures, das den Film bereits als Boxoffice-Flop verbucht hat und mit einem Verlust in Höhe von 175 Millionen Dollar rechnet (zu den Produktionskosten eines Films kommt meistens noch mal in etwa der gleiche Betrag fürs Marketing hinzu). Laut Gerüchten soll der Film durch die Reshoots sogar noch 50 Millionen teurer geworden sein. Außerdem habe Universal dem überforderten Regisseur am Ende die kreative Kontrolle entzogen und den Filmschnitt in andere Hände gegeben.
Ziemlich gut gelungen sind allerdings die zahlreichen Samuraischwert-Fights, in denen auch Weißbrot Reeves eine gute Figur abgibt. Allerdings: Man sieht im ganzen Film nur an einer einzigen Stelle Blut: Als die Ronin per Blutstropfenunterschrift den Rachepakt besiegeln. Ansonsten: cineastische Anämie. Bei einem Martial-Arts-Spektakel, in dem der Ehren-Suizid per Selbstentweidung eine zentrale Rolle spielt, ist das schon arg verharmlosend. FSK und Jugendschutz schön und gut – das Blut ist für Schwertmassaker so essentiell wie das Salz in der Suppe. Wenn man dem Film allerdings keine FSK12 besorgt hätte, wäre er ja ein noch größerer Kassenflop geworden.
Durch die Aufnahme von Fantasy-Elementen weckt „47 Ronin“ Erinnerungen an Genre-Klassiker wie „A Chinese Ghost Story“, allerdings wirken auch diese nur willkürlich eingesetzt: Hier ein riesiger Hirschmonsterbüffel, dort eine fiese Hexe und dann noch ein paar Waldmönche, die ziemlich deutlich von den Na’vi aus „Avatar“ abgekupfert sind – das war’s auch schon mit dem Fantastischen. Ebenfalls merkwürdig: Tattoo-Ikone Zombie Boy prangt prominent rechts auf dem Filmposter, sieht man im ganzen Film gefühlt fünf Sekunden und tatsächlich maximal zehn. Das grenzt ja schon an Etikettenschwindel.
Optisch bekommt der Kinogänger freilich einiges geboten: Die computergenerierten Landschaften sind ziemlich imposant und mit einer ähnlichen Farbpalette ausgestattet wie unsterbliche Martial-Arts-Highlights der Marke „Hero“ oder „Tiger & Dragon“ – ohne jedoch an deren geniale Bildsprache heranzureichen. Auch die Ausstattung und Kostüme sind sehenswert. 3D-Effekte sind hingegen leider eher spärlich gesät.
Jetzt habe ich ja doch wieder viel gemeckert. Hoffentlich aber etwas sachlich-argumentativer.
Fazit: Der Film ist zwar keine Katastrophe, aber insgesamt auch alles andere als rund. Die gut choreografierten Fights und die bunte Optik gefallen, die verharmlosende Blutarmut und die krampfhaft implementierten Fantasy-Elemente eher weniger.
Hier der Trailer (der allerdings optisch einiges spoilt):
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