Eulen. Diese wunderbaren Tiere. Diese Geschöpfe der Nacht. Diese Wesen, die bereits zu Vorzeiten den Tod verkündeten. Was ich euch nun zu berichten beabsichtige, hat sich bereits vor Jahrzehnten zugetragen. Es war Winter. Der Frost kratzte mit seinen gierigen Händen an den Scheiben des Hauses. Das Feuer im Kamin wärmte und konnte dem alten Mann mit seinen tödlichen Absichten Einhalt gebieten. Meine Urgroßmutter saß still in ihrem Lehnstuhl und blickte in die Leere. Noch heute überkommt mich ein Schauer, wenn ich daran denke, wir ihre knochigen Finger an jenem Tag durch mein junges Haar glitten, während sie mir jene Geschichte von den Eulen erzählte. Sie und jene Zeit sind längst begraben. Und vergeben war jede Mühe, jede Zeit, in den Archiven und Zeitschriften nach Beweisen für jene Geschichte zu forschen. So kann ich mich daher weder für die Wahrheit der Tatsachen verbürgen, als, wenn jemand sie bestreiten wollte, dafür aufstehen. Und dennoch gedenke ich euch von dieser Geschichte zu berichten. Vielleicht zur Unterhaltung. Vielleicht zur Mahnung.
Lange vor diesen Zeiten war es gegeben, dass man die Toten, die man zu betrauern hatte, auf den eigenen Dielen aufbahrte. Damit die Menschen, die sich mit dem Toten verbunden fühlten, sich von diesen verabschieden konnten. Der alte Jan aber hatte niemanden. Und als sich eine Eule auf seinem Fenstersims niederließ und durch die, mit Eisblumen verzierte Scheibe, direkt in seine Augen blickte, wusste er, dass nun die Zeit gekommen war. Ein letztes Mal zog er an seiner Pfeife. Die Eule flog von dannen.
Zu Lebzeiten hatte sich der alte Jan nicht gerade beliebt gemacht. Er war geizig. Verjagte die Kinder, die im Frühjahr unter seinem Apfelbaum tanzen wollten und vergraulte alle, die ihm nahe waren. Und doch gab es Menschen, die immer wieder nach ihm schauten. Die Gründe dafür vermag ich nicht zu nennen, so sind sie doch auch unbedeutend. Aber eben jene entdeckten den alten Mann schlafend im alten Stuhl und bahrten ihn auf seiner Diele auf. Und während er dort lag, versammelten sich einige Eulen auf dem First des Hauses, was den Menschen als Abschreckung galt.
Eines Nachts, vom Mond war keine Spur und vollkommene Finsternis umgab den alten Hof, schlichen sich drei junge Männer, keine zwanzig Sommer hinter sich, auf die Diele. Die Schreie der Eulen fürchteten sie nicht. Auch den Tod wollten sie nicht fürchten. Sie wollten ihn sehen. Aufgebahrt in der Diele, in Form eines alten, törichten, zornigen und einsamen Mannes.
Heinrich, der Sohn des Müllers und Wortführer der Gruppe, trat als erster an den Sarg des Toten. Dieser war bereits verschlossen, denn mit den ersten Sonnenstrahlen sollte die Beisetzung erfolgen. Die Eulen vom Dach stießen ihre Schreie aus. Vielleicht als Mahnung. Vielleicht zur Warnung. Doch Heinrich überhörte diese. Er hob den Deckel des Sarges an und blickte auf die geschlossenen Augen des Toten. Plötzlich fühlte er, wie seine Hand am Rand des Sarges fest war. Und die Augen des Toten hatten sich geöffnet. Er schrie. Er schrie. Er schrie so laut, dass die anderen die Flucht ergriffen. Der Tote hatte ihn gegriffen und wollte ihn mit hinübernehmen.
Am nächsten Tag, die ersten Sonnenstrahlen hatten den Tag erhellt, trat der Pfarrer in die Diele. Der Sarg war offen. Der Deckel lag am Boden. Und neben ihm Heinrich, den Ärmel seiner Jacke in einem Nagel gefangen. Von den Eulen auf dem First war keine Spur.
Full Volume – mit Eulen auf den Shirts
Als ich neulich im Shop stöberte und mir die grandiosen Sachen von Full Volume ansah, entdeckte ich dieses Shirt und musste wieder an diese Geschichte denken und den Schauer, den sie mir immer noch über den Rücken jagt. Mein Urgroßmutter konnte diese Geschichte wahrscheinlich besser erzählen… Hätte ich sie denn kennenlernen dürfen …