Top-Alben des Jahres 2020! Die erste Rutsche gab es schon, nun gibt es den Nachschlag. Wieder ohne Wertung und auf Platzierungen verzichten wir bewusst. Uns geht es darum, die Perlen des Jahres nochmals zu zeigen. Heute sind nebem Pearl Jam auch Biffy Clyro und Paradise Lost am Start. Habt Spaß!
Pearl Jam – Gigaton
Pearl Jam und diese ewige Nölerei, was den musikalischen Output betrifft. Ja, verdammte Hacke, Pearl Jam haben „Ten“ als Debüt und ja, nach „Ten“ hat sich der Sound gedreht. Dafür gab es viele Umstände und ja, eine Entwicklung schadet keiner Band. Doch was soll dieses Gewinsel, was den Sound der Truppe betrifft? Entweder man lebt damit oder man wendet sich ab. Einer Band aber immer wieder vorzuhalten, dass sie keine Neuauflage des legendären Debüts abliefern ist albern. So, nachdem dies geklärt ist, können wir uns „Gigaton“ widmen, was wahrlich kein schlechtes Album ist. Nein, vielmehr ist es ein gutes und für viele sogar ein sehr gutes. Man darf sich an „Lightning Bolt“ erinnern, was dann doch eher durchschnittlich war. Jetzt also 2020 wieder ein neues Album. Bereits der Opener „Who Ever Said“ zeigt, dass die Band Bock hat.
Eddie Vedder mit seiner markanten Stimme, der trockene Sound und all die Raffinessen, die eben Pearl Jam ausmachen, begleiten dieses Album. „Superblood Wolfmoon“ ist frisch, minimalistisch und dennoch faszinierend. Natürlich darf man sich über eine elektronisch-angehauchte Nummer wie „Dance Of The Clairvoyants“ wundern, aber wieso sollten Pearl Jam so etwas nicht machen dürfen? „Quick Escape“ groovt ohne Ende, „Sirens“ besticht als Ballade. Der Legendenstatus wird mit „Gigaton“ sicher nicht mehr ausgebaut, aber wieso auch? Als quasi letzte Grunge-Band überhaupt, hält man auch 2020 noch die Fahne hoch. Wem der Sound nach „Ten“ nicht passt, wird hier keinen Spaß haben. Wer aber auch mit „Yield“ und Co seine Freude hatte, der wird dieses Album sich anschaffen (müssen) und Spaß haben. Pearl Jam sind und bleiben Pearl Jam: Unabhängig von ihrer Ausrichtung, denn die Trademarks sind immer vorhanden.
Biffy Clyro – A Celebration Of Endings
Zugegeben, „Ellipsis“ war anders und nicht jeder Fan von Biffy Clyro konnte dem Album etwas abgewinnen. Ich fand es persönlich ein starkes Album, konnte aber sicher nicht mein komplettes Umfeld davon überzeugen. Das „MTV Unplugged“-Album war großartig, wobei man letztendlich doch auf ein neues Studioalbum wartete. „A Celebration Of Endings“ sollte das Warten beenden und markiert das 8. Studioalbum in der Bandgeschichte. Seit rund 30 Jahren treibt das schottische Trio nun schon sein Unwesen und gerade der neuste Output ist ein herrlicher Abriss der bisherigen Diskografie. Während man mit „Instant History“ weitere Pop-Ausflüge zelebriert, ist „End Of“ ein Song, der treibende Gitarren und ein wuchtiges Schlagzeug aufzeigt. Man lotet quasi den bisherigen musikalischen Output aus und schafft es so, die ganze musikalische Bandbreite der Band aufzuzeigen. Nun haben wir gerade mal zwei benannt, jedoch sind diese eben in gewisser Art und Weise die Aussengrenzen des Albums.
„North Of No South“ ist der Opener und stellt eine leichtfüßige Nummer dar, die mit Pop-Anleihen nicht geizt. „Opaque“ steht als Ballade im Raum und vereint in gewisser Art und Weise die Songs „Machines“ und „God And Satan“. Am Pathos wurde auch nicht gespart, was sich durch die Streicher beweisen lässt. „Cop Syrup“ ist aber wohl das, was man als Meisterstück des Albums bezeichnen muss. Mit einer dramatischen Wendung soll der Song schliesslich enden, als ob Biffy Clyro mit Steven Wilson ein Kind gezeugt hätten. Der Wahnsinn ist zum Greifen nah und Simon Neil lässt auch ein beherztes „Fuck everybody“ ab. Es ist ein Album, was man mehrmals hören muss und immer wieder neue Facetten entdeckt. Dies ist gleichzeitig die große Stärke von „A Celebration Of Endings“, dem eine gewisse Unberechenbarkeit zugrunde liegt. Das Album wächst und wächst, baut sich mehr auf und frisst sich geradezu ins Hirn. Traumhaft!
Paradise Lost – Obsidian
Paradise Lost hat man in den Anfangstagen abgefeiert. Als die Band sich musikalisch gedreht hat, war das Geheule groß. Wie kann man es wagen, sich weiterzuentwickeln? Aber Paradise Lost haben nun auch seit einigen Jahren wieder die Härte für sich entdeckt. „Faith Devides Us – Death Unites Us“ oder auch „Tragic Idol“ sind nur zwei Beispiele dafür. „Obsidian“ soll einen weiteren Meilenstein darstellen, wenn es um die wiedergewonnene Härte bei Paradise Lost geht. Gepaart mit einer unbeschreiblichen Melancholie und einer betörenden Schönheit zeigen sich Paradise Lost 2020. Befreiende Gitarrensoli wie bei „Ending Days“ oder der Tatsache, dass man auf (Gothic-) Kitsch verzichtet, verschaffen dem Album einen starken Tiefgang. Bereits der Opener „Darker Thoughts“ markiert, dass sich die Truppe um Nick Holmes eben auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität befinden. Streicher und ein gewitztes Songwriting unterstreichen diesen Umstand eindrucksvoll.
„Fall From Grace“ macht nahtlos weiter und pendelt sich zwischen „bittersüß“ und „bedrohlich“ ein. Holmes wächst besonders bei diesem Song über sich hinaus und zeigt, welche Stimmgewalt er doch hat. Diese war jahrelang etwas in den Hintergrund getreten, nun zeigt er aber wieder, was in ihm steckt. „Ghosts“ ist fast schon tanzbar und greift etwas den Gothic Rock auf, welcher in den 80ern angesagt war. Mit „Hope Dies Young“ fesselt man den Hörer, während „Forsaken“ und „Ending Days“ eine ergreifende Melancholie versprühen. Kurzum „Obsidian“ ist vom ersten bis zum letzten Ton ein ganz großes Album. Eines, mit dem Paradise Lost erneut unterstreichen, dass sie in diesem Genre wegweisend sind. Man darf sich auf die anstehenden Konzerte freuen, sobald man Covid-19 im Griff hat. Solange gilt es dieses Album zu hören.