Das Jahr 2018 ist quasi gelaufen. Grund genug ein kurzes Fazit zu ziehen, was die Alben des Jahres sein könnten. Wir wollen Resume ziehen und euch unsere drei Spitzen-Platten präsentieren. Auf Platz 3 haben es Thrice geschafft. Die Band aus Kalifornien konnte mit „Palms“ auf ganzer Linie überzeugen.
Thrice haben 2018 so einige Gründe, die Sektkorken knallen zu lassen. Neben der Tatsache, dass das neue Album „Palms“ bereits das 10. in der Bandgeschichte ist, fungiert die Band nun auch geschlagene 20 Jahre erfolgreich als Quartett. Und dies ohne jemals einen Besetzungswechsel hingelegt zu haben. Auszeit ja, die insbesondere Dustin Kensrue dazu nutzte, seinen Glauben als Pastor auszuleben, Auflösung oder Rauswürfe, sucht man aber bei der kalifornischen Band vergebens. Was der ein oder andere Hörer ebenfalls suchen wird, ist der musikalische rote Faden, welcher bei Thrice anscheinend nie so zum Vorschein kommt. Feiern alte Fans noch „Identity Crisis“ oder das Überalbum „The Illusion Of Safety“, so verabschiedeten sich mit dem Drittwerk „The Artist In The Ambulance“ bereits wieder Fans der ersten Stunde. Ein Album, welches die Band heute argwöhnisch betrachtet, sich aber der Tatsache bewusst ist, dass Songs wie „All That’s Left“ oder „Under A Killing Moon“ die Fanbase exponentiell wachsen ließ.
Thrice wiederholen sich einfach nie
Nach „Vheissu“, dem nie verstandenen „The Alchemy Index“, sollte „Beggars“ melancholisch und „Major/Minor“ etwas lebensbejahender, die Pause einläuten. Eine, die glücklicherweise nicht lange währen sollte. „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ war das Comeback, „Palms“ soll nun zeigen, dass dieses keine halbgare Sache war. Doch ein Umstand begleitet die Band über all die Jahre hinweg: Kein Album sollte dem anderen gleichen. Kein Song, sollte irrtümlich einem falschen Album zuzuschreiben sein. Thrice agieren in Phasen, die gegensätzlicher nicht sein könnten, letztendlich aber das Salz in der musikalischen Suppe dieser Band darstellt. Oder in anderen Worten: Wo Bands mit monotoner Wiederholung glänzen, wächst diese Band von Album zu Album über ihren Tellerrand hinaus.
Ist „Palms“ ein Koloss oder doch eher leichtfüßig?
Palms wird eröffnet mit dem Song „Only Us“, der befremdlich anmutet und sogar einen Brückenschlag zu „Major Tom“ und Peter Schilling aus dem Jahre 1982 zulässt. Doch dieser Schockzustand soll nur von kurzer Dauer sein, denn Thrice reissen das Ruder so gekonnt rum, dass der Kahn schnell wieder in dem Fahrwasser ist, in welches er gehört. Um diese musikalische Achterbahnfahrt in seine Grenzen zu weisen, fungiert der Schlusssong „Beyond The Pines“, welcher anmutig, bedächtig, aber ebenso mit ganz viel Emotionen bestückt ist. Zwischen Anfang und Ende liegt Rock-Musik, welche meilenweit von den Anfangstagen entfernt ist. „The Grey“ stellte die erste Auskopplung dar und entspricht wohl dem, was der Fan von Thrice erwartet hat. Solide Gitarrenarbeit von Teranishi und eine punktuell unfassbar präzisen Rhythmus-Abteilung um die Brüder Breckenridge.
„The Dark“ ist ein dunkles Stück, welches Einblick in die emotionale Welt von Kensrue zulässt. Laut eigener Aussage autobiografisch zu verstehen, besingt er die Ängste, Depressionen und unausweichlichen Momente seines Lebens, in der nur sein Glauben ihn wieder zu seiner Familie führte. Ein Aufruf an Fans, den Chor beizusteuern, welcher am Ende des Liedes zum Tragen kommt, verschafft der Nummer eine Tiefe, die mit Gänsehaut quittiert wird.
Durchatmen, weitermachen
„Just Breathe“ erscheint dagegen schon luftig und schlägt eine Brücke zur „The Alchemy Index“-Phase der Band. Das Piano „Everything Belongs“ ist der Dreh- und Angelpunkt des Albums, welches alle Facetten von „Palms“ zum Vorschein bringt. Ruhig gehalten, ist es insbesondere die Stimme von Kensrue, welche den Song so einzigartig macht, um dennoch genügend Raum zu lassen, dass alle Musiker ihre Daseinsberechtigung finden. „My Soul“ ist eine solide Midtempo-Rocknummer, die eine gewisse Ruhe seitens des Hörer schafft. Zumindest bevor es mit „A Branch In The River“ in die Vollen geht. Wer hier nicht die Luftgitarre spielt, der hat den Song wahrlich nicht richtig angehört. Mit einem treibenden Basslauf, einem pulsierenden Drumming und einem aufbauenden Thema, arbeitet man sich hier durch das komplette Repertoire von Thrice. All dies, was Thrice nun in 20 Jahren ausmacht, soll hier sich widerspiegeln.
„Hold Up A Light“ ist wieder eine kleine Insel der Ruhe. Zumindest bevor es mit dem Refrain wieder in Richtung „aufs Gaspedal gedrückt“ geht. Break und Noise bei Minute 2, zack, so schreibt man energiegeladene Songs. „Blood On Blood“ mag für meinen Geschmack falsch platziert sein, frisst sich aber unweigerlich im Hirn fest. Hier soll eine fragile Stimme auf eine experimentierfreudige Band stossen, die selbst vor einer spanischen Gitarre nicht Halt macht. Wohl der mutigste Song, welcher jemals zu Papier gebracht wurde, aber wohl auch einer der besten in der Bandgeschichte.
Wenn jedes neue Album ein noch besseres ist, als der Vorgänger
Thrice beweisen erneut, dass sie keine Band sind, die man mit normalen Maßstäben messen sollte. Vielmehr geht die musikalische Reise weiter und entspringt immer mehr den Anfangstagen, die sich so mancher Fan gerne herbeisehnt. Doch diese Tage sollten endgültig gezählt sein, wie nun einige Alben eindrucksvoll bewiesen haben. Thrice haben sich mit „Palms“ erneut neu definiert, musikalische Grenzen erneut weit von sich geschoben und auf alle Erwartungen gepfiffen. Man lebt sich aus und lebt darin auf, wie die Homogenität innerhalb der Songs beweist. Und dennoch bekommt das Album einen runden Abschluss verpasst. Für Freunde von ehrlicher, gutgemachter und tiefsinniger Rockmusik, sollte „Palms“ ein Testhören wert sein. Für Freunde der Band, die Kensrue und Co seit „The Alchemy Index“ schätzen und lieben, geradezu ein Pflichtkauf. Und Anhänger der ersten zwei Alben, müssen sich anderweitig umschauen und können das Anzünden von Bitt-Kerzen spätestens jetzt einstellen.