Bereits im Vorfeld von „Mitgift“ machen schier unglaubliche Gerüchte über neue Dubstep-Einflüsse im Sound von SUBWAY TO SALLY die Runde. Wir sind in die fränkische Schweiz gefahren, um im Studio von Drummer und Produzent Simon Michael zu checken, was es damit genau auf sich hat.
Es herrscht Aufbruchstimmung: Sänger Eric hat einen neuen Vocalcoach, es gibt erstmals ein Textkonzept über reale Morde aus verschiedenen Epochen, und in der Tat haben sich Einflüsse aus dem Elektro- und DubStep-Bereich ins Songwriting eingeschlichen. Im Gegensatz zu Korn handelt es sich bei „Mitgift“ (ein doppeldeutiger Titel in der Tradition von “Hochzeit“) jedoch nicht um „The Path of totality“ und eine radikale Wende, sondern um eine maßvolle Modernisierung, die den typischen Sound der Band nicht gravierend verändert. „Ich höre seit zwei Jahren gerne so Zeug wie Noisia und KillSonic, und habe mir da einiges abgeschaut.“, verrät Hauptsongwriter Ingo.
Das bezieht sich jedoch nicht auf dicke Elektro-Schminke, sondern eher auf die Arrangements. „Hier mal ein Break, da mal eine lange Rampe zum Spannungsaufbau, und dann knallt der Refrain gleich viel mehr. Gerade bei „Schwarze Seide“ gibt es so einen Drop, der alles zusammen fallen lässt, bevor die Spannung wieder neu aufgebaut wird.“ Angst um einen radikalen Stilbruch müssen die Fans auch deshalb nicht haben, weil die Produktion auffallend hart ausgefallen ist und sich damit gar nicht erst dem Verdacht einer Mainstream-Anbiederung aussetzt. „Der Sound klingt hart, klingt schroff, und genau so wollten wir das diesmal.“, betont Simon Michael, neuerdings mit modischem Kurzhaarschnitt. „Würden wir über andere Themen als diese grausamen Morde singen, wäre es vielleicht anders gelaufen, aber für „Mitgift“ passen die Ecken und Kanten, die wir ganz bewusst herausgearbeitet haben. Bei uns wird nichts im Computer zurechtgerückt!“ So etwas ist selten geworden heutzutage, das kann man gar nicht hoch genug schätzen!
Hier die Songs im Schnelldurchlauf:
- “Ad Mortem Festinamus”: Nach einem schönen Acapella-Beginn rockt der Opener mit einem sehr modernen, tiefer gestimmten Riff. Der Text ist komplett in Latein.
- „Schwarze Seide“: Einer der modernen Songs, der mit atmosphärischen, an Nine Inch Nails erinnernden Soundscapes, grooviger Elektronik und einem ausgiebig zelebrierten Break arbeitet. Erneut sehr hartes, modernes Riffing. Die schönen Gesangmelodien sollten auch alte Fans abholen. Der Text über Nekrophilie ist aus der Täterperspektive geschrieben und dabei erschreckend poetisch umgesetzt.
- “Für immer“ ist natürlich kein Doro-Cover, sondern eine Art Mini-Musical, das analog zum Text über einen kranken Sexualmord den Hörer mit progressiven Passagen und intensiver Dramaturgie auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitnimmt. Keine leichte Kost!
- „Grausame Schwester“: Das Lied geht auf eine Mörderballade aus dem 17 Jahrhundert zurück, die mit elektronischen Komponenten sehr modern umgesetzt wurde. Auch hier gibt es ein emotionales Wechselspiel zwischen verstörenden und harmonischen Passagen. Der Refrain ist ein wunderschöner Ohrwurm.
- „Warte Warte“: Das harte Riff und das verschachtelte Drumming auf der einen Seite sowie dominante Streicher und das Wechselspiel zwischen Eric Fish und dem Chor auf der anderen Seite sorgen wir einen reizvollen Kontrast, aus dem der Song über den „Werwolf von Hannover“ (24 Morde) seine Spannung bezieht.
- „Dein Kapitän“: Eine potentielle Single mit vergleichsweise schlichtem Arrangement und einem tollen Refrain. Textlich geht es um den Fall Kampusch.
- „Arme Ellen Schmidt“: Noch eine potentielle Single, die straight nach vorne rockt und mit extrem eingängiger Hookline punktet. Das Opfer hieß eigentlich Ellen Smith, der eingedeutschte Name darf als Tribut an Geigerin Frau Schmitt (natürlich mit Doppel-T) verstanden werden.
- „In kaltem Eisen“: Erneut spielt die Geige eine tragende Rolle. Mittelalterliche Instrumente vermischen sich in dieser ruhigen Nummer mit elektronischen Elementen – und gehen harmonisch Hand in Hand.
- „Vela Dare!“: Ein Instrumental mit starken irischen Einflüssen, gleichermaßen heavy wie melodisch.
- „Haus aus Schmerz“: Sicherlich der am schwersten verdauliche Song der neuen Platte. Typische STS-Elemente (Geige, Melodieführung) treffen auf moderne Synthies und Downbreaks. Ähnlich wie bei „Für immer“ werden analog zum Text (27 Morde in einem eigens dafür umgebauten Haus) viele unterschiedliche Passagen zu einem progressiven, teils angsteinflößendem Mini-Musical kombiniert.
- „Im Weidengarten“: Eine irische Mörderballade, die konsequent neue Wege in der Umsetzung geht. Eine Laute trifft auf düstere Elektro-Sounds und E-Drums. Diese radikale Herangehensweise funktioniert erstaunlich gut.
Nachdem SUBWAY TO SALLY mit ihrem letzten Album „Schwarz in Schwarz“ doch etwas stagniert sind, wirken sich die neuen Elemente wohltuend auf den hart produzierten Sound aus, der frisch und modern klingt, ohne den musikalischen Kern der Band aus dem Fokus zu verlieren. Eine gekonnte Gratwanderung, die zudem mit gleichermaßen anspruchsvollen wie emotionalen Kompositionen begeistert. Freut euch auf „Mitgift“!
Geschrieben von: MARCUS SCHLEUTERMANN