At The Drive-In are back! Die wenigsten Fans hätten es für möglich gehalten, aber ja, die Band aus El Paso hat neben den Konzerten ein neues Album eingespielt. Und da es so dermaßen geil ist, zurecht unser Album der Woche bei EMP.
Allgemein geht sogenannten Reunions voraus, dass eine Band sich auflöst. Schmerzhaft für die Liebhaber einer Band und später ein Wechselbad der Gefühle, wenn die Truppe sich wieder zusammenfindet. „Geht das gut?“, „Braucht das überhaupt noch Jemand?“ oder „Die alten Sachen kann ich heute überhaupt nicht mehr anhören. Wieso damals eigentlich?“ sind nur drei Fragen von vielen. Doch es gibt auch freudige Momente die manchmal mit einem ungläubigen „WTF“ einhergehen. Im Falle von At The Drive-In reichte allerdings nicht nur ein Kraftausdruck, um der schieren Freude gebührend Ausdruck zu verleihen. Die Band hat nach 17 Jahren endlich einen Nachfolger zu „Relationship Of Command“.
Auf dem Höhepunkt den Stecker gezogen
Doch wenn wir schon beim 200er Überwerk, bleiben wir doch direkt dabei. Die Band um Cedrix Bixler und Omar Rodríguez war auf ihrem Höhepunkt. Wie kaum eine andere Band war diese Truppe heiß wie Frittenfett. Doch im Bandgefüge sah es düster aus. Nach einem Unfall auf einer vereisten Straße, kamen At The Drive-In mit dem Schrecken davon. Doch dieser Zwischenfall sollte Grundstein für einen Ausraster seitens Cedric Bixler werden. Während einer Show in Sydney im Rahmen des Big Day Day Out Festivals, beschimpfte der gute Mann das Publikum. Dieses wollte seinen Anweisungen nicht folgen, als er darum bat, dass der Moshpit doch etwas gemäßigter abgehalten werden sollte. Die Band verließ daraufhin die Bühne. Die nachfolgenden Konzerte in Europa wurden abgesagt. At The Drive-In waren ausgebrannt. Auch die anstehende US-Tour wurde mit den Worten abgesagt, dass „nach 6 Jahren durchgängigem Touren eine Auszeit auf unbestimmte Zeit“ angedacht sei.
At The Drive-In und die erste Reunion
Im Nachhinein äusserte sich insbesondere Bixler zum Split. Von „kreativen Differenzen“ und der Tatsache, dass At The Drive-In auf Punk reduziert würden, war die Rede. Mit The Mars Volta sollten sich ein paar Kollegen eine neue kreative Spielwiese schaffen, während Jim Ward Sparta aus dem Boden stampfte. 2012 folgte eine Live-Reunion mit allen Beteiligten. Aber auch diese sollte nicht von langer Dauer sein, denn insbesondere Omar Rodríguez stand in der Kritik. Man warf ihm mangelnden Enthusiasmus bei den absolvierten Shows vor. Doch nur ein Reunion um ein paar Dollar in die Bandkasse zu scheffeln? Er dementierte und sprach von einer „nie dagewesenen Distanz zur Band“ und der Tatsache, dass „diese Auftritte dafür absolviert wurden, um das Kapitel endgültig zu schließen.“
Auf 1 folgt bekanntlich 2 – und sogar ein neues Album
Umso erfreulicher war es, dass sich At The Drive-In 2016 erneut zu einer Reunion durchringen konnten. Wenn auch ohne Jim Ward, der durch seinen Sparta-Kollegen Keeley Davis ersetzt wurde. Und am 8. Dezember 2016 war es endlich so weit. At The Drive-In veröffentlichten einen neuen Song. Sollte „Governed By Contagions“ wirklich der Vorbote für ein neues Album werden? Seit dem 22. Februar diesen Jahres wissen wir, dass mit „In•ter a•li•a“ wirklich ein neues Album veröffentlicht wird. Doch nun ein Blick auf das neue Album, welches gleichzeitig das vierte Studioalbum von At The Drive-In markiert.
Mit frischer Energie greifen ATD-I neu an
Durch die beiden vorab veröffentlichten Songs „Governed By Contagions“ und „Incurably Innocent“ wissen wir, dass sich an dem gewissen Wahnsinn bei At The Drive-In nichts geändert hat. Nach wie vor schafft es die Band, Songs zu schreiben, welche fern ab jeglicher Songwriting-Lehrbücher zustande kommen. Dissonante Klänge und der unablässige Drang Songs zu schreiben, die einfach keinem gewohnten Muster folgen, zeichnen dieses Album aus. Aber auch ein gewisser Hang zu Melodien ist zu spüren, wie bereits der Opener „No Wolf Like The Present“ verdeutlicht. Assoziationen zu Fugazi gab es damals schon und diese Vergleiche können auch heute erneut herangezogen werden. Absolute wahnsinnige Ausreißer, die damals auch Fans vergrault haben, gibt es auf diesem Werk nicht. Vielmehr hat man den Eindruck, dass sowohl Bixler, als auch Rodríguez ihre Mitte gefunden haben, welches streckenweise neu ausgependelt werden muss, jedoch die Sache so gleichzeitig spannend macht. Selbst vor ruhigeren Tönen scheut man sich nicht mehr, wie „Ghost-Tape No.9“ aufzeigt. Ein Song, der gleichzeitig eine dunkle Atmosphäre verbreitet.
Eine Reunion, wie sie immer sein sollte
Mit insgesamt 11 Songs schaffen At The Drive-In eine musikalische Reunion, die man vielen Bands wünschen möchte. An „Relationship Of Command“ kommt man nicht ganz ran, was aber dadurch begründet ist, dass der Sound dieser Band durch das 2000er-Album geprägt ist und man letztendlich das Rad nicht zweimal erfinden kann. Keiner der neuen Songs ist auch nur im Ansatz schlechter. Vielmehr ist es die Tatsache, dass der Fan sich darüber im Klaren ist, wie das Album zu klingen hat. Und dies zu schaffen, ist eine Meisterleistung, die man nur mit „Album der Woche“ honorieren kann.