NOFX und Frank Turner schreiben Musikgeschichte. Ja, was nun sich komisch anhören mag, wurde auch bei uns befremdlich aufgenommen. Beide Combos machen zusammen Musik. Naja, zu halb, denn jede Truppe sucht sich 5 Songs der Gegenseite aus und interpretiert sie neu. Das Resultat sind 10 Songs, die nun unter „West Coast vs. Wessex“ erscheinen. Unser Album der Woche bei EMP.
Manchmal schreibt die Geschichte schon komische Stories. So auch hier, als das Album „Westcoast vs. Wessex“ ankam. Ernsthaft? Ein Frank Turner macht gemeinsame Sache mit NOFX? Kann denn sowas gut gehen? Schwere Frage, denn dazu muss man sich erst etwas belesen. NOFX haben bereits vor rund 15 Jahren eine Split-Platte mit Rancid gemacht. OK, eine Punk-Truppe trifft auf eine andere Punk-Truppe. Das ist nun nicht derart ungewöhnlich. Nun hat sich Fat Mike aber einen Künstler rausgesucht, der quasi dem Folk entsprungen und im Singer/Songwriter-Genre sich sehr heimisch fühlt. Frank Turner, der Mann aus Wessex, der sich über die letzten Jahre hinweg zu einem wahren Publikumsmagnet entwickelt hat. Aber auch dieser Turner hat eine Vorgeschichte und mit Möngöl Hörde hat er schon vor vielen Jahren bewiesen, dass er auch härtere Töne anschlagen kann. Na dann Frank, zeig mal, wie du NOFX spielen willst!
Aus der Not wurde eine Tugend, die den 90er Sound wieder entfachte
Ein weiterer Umstand ist, dass beide Bands sehr gut miteinander befreundet sind. Diesen Sommer standen sogar Festivals auf dem Tourplan, die beiden Truppen absolvieren wollten. COVID-19 machte der Sache einen Strich durch die Rechnung und so wurde die Idee digital vorangetrieben. Und dennoch bleibt dieses Unbehagen, dass es nur schiefgehen kann, wenn Folk auf Punk beziehungsweise umgekehrt trifft. Aber keine Sorge, denn beide Bands haben sich lange Zeit genommen, um die passenden Songs zu finden. So bemühte Frank Turner die Diskografie der US-Punker, hörte sich Alles an um letztendlich Songs aus den 90ern zu nehmen. Begründet in der Tatsache, dass Turner eben anno dazumal ein Fan von NOFX war. Dies beflügelte im Umkehrschluss auch NOFX sich den alten Songs von Turner ein besonderes Augenmerk zu schenken. Viel mehr noch, denn durch die Wahl lassen NOFX kurzerhand auch ihren alten 90er Song aufleben.
NOFX und Frank Turner machen keine halben Sachen
Frank Turner gibt zu, dass er keine 0815-Coverversionen abliefern wollte. Vielmehr lag ihm Viel dran, dass er den Songs eine gewisse Note einhauchen kann und gleichzeitig den Fans von NOFX zeigen konnte, dass er wirklich Fan ist. Fat Mike bemühte ebenfalls ältere Songs von Turner, da er selbst einräumte den Mann am Mikrofon nicht übertreffen zu können. So wurde aus der Not eine Tugend geboren und NOFX änderten Chords ab, wenn sie schon beim Gesang keinen Blumentopf gewinnen konnten. „Vielleicht kann ich die ein oder andere Melodie beziehungsweise Cord in seine Songs einfließen lassen, an die er noch nicht gedacht hat“, gibt Fat Mike zu Protokoll um ein „das war eine verdammt schwierige Aufgabe“ lachend hinzuzufügen. Das Resultat mit 10 Songs wurde besonders auf den Prüfstand gestellt.
Beide Bands huldigen sich gegenseitig, was die Sache zu einer kurzatmigen Kiste macht. So macht Frank Turner aus dem NOFX-Klassiker „Bob“ kurzerhand einen Country-Song und fährt mit einem Mundharmonika-Solo auf. Ein Umstand, der einem beim ersten Hören doch stark verwundert. Hört man sich den Song erneut an, ist es eben genau das, was dieses Album zum Vorschein bringen soll: Nehme den Song des anderen und interpretiere ihn neu. Kein Abklatsch, keine 1:1-Kopie, sondern so, wie du diesen Song geschrieben hättest. Aber auch NOFX haben eine 180-Grad-Drehung hingelegt. Wo man vor Jahren noch beteuerte nie Ska zu spielen, nahm dieser eben dann doch Einzug bei „Thatcher Fucked The Kids“. Dabei ist diese Version besser als das Original, wenn es um meine persönliche Meinung geht. Aber auch „Eat The Meek“ oder „Glory Hallelujah“ überzeugen von Vorne bis Hinten. Respekt an die Protagonisten.
„Westcoast vs. Wessex“ ist ein sehr unterhaltsames Album
Neuvertonungen wie diese zeigen, dass sich beide Bands allergrößte Mühe gegeben haben. Dies war sowohl beim kreativen Prozess, also dem Umschreiben der Songs, als auch beim Vortragen der Fall. Ohne jeden Zweifel haben sowohl NOFX, als auch Frank Turner die richtigen Songs ausgesucht und diese mit viel Liebe und Detail zu ihren gemacht. „West Coast vs. Wessex“ ist ein super Album, welches auf nach dem zig-sten Durchlauf Spaß macht. Sollte man sich definitiv anschaffen. Unser Album der Woche bei EMP.