Das Album der Woche kommt von The Hirsch Effekt. Das Trio aus Hannover schafft mit „Kollaps“ ein neues Machtwerk, was das Thema „Artcore“ angeht. Mit neuen Facetten, aber auch alten Trademarks, schaffen es die Herren, ein derart komplexes und kurzweiliges Album zu schaffen, dass sie zurecht zu einer der spannendsten Bands im Metal zählen.
The Hirsch Effekt zählen wohl zu der Kategorie „spannende Bands“. Kaum eine Truppe hat sich über die letzten Jahre hinweg so sperrig gezeigt und denn Metal hierzulande auf Links gedreht. Metal-Puristen dürften angewidert weglaufen, andere derart überfordert sein, dass sie auch das Handtuch werfen. Und ja, dann gibt es eben doch Leute, die mit „Mathcore“, „Artcore“ oder wie man es nennen mag, etwas anfangen können. Dies sollten Musikfreunde sein, denen The Dillinger Escape Plan oder auch Converge nicht zu hektisch, vertrackt oder überladen ist. Musik, die den Hörer fordert und wahrlich weit entfernt von Mainstream ist. Und dennoch können The Hirsch Effekt verzücken, faszinieren und begeistern. Die Diskografie der Hannoveraner Truppe zeigt dies. Nun gibt es mit „Kollaps“ quasi einen Nachschlag. Musik, die dieses Mal anders ausfällt und sich doch von den bisherigen Alben unterscheidet. „Kollaps“ büßt aber nichts an Faszination ein.
The Hirsch Effekt starten behutsam…
Rhythmisch startet „Kollaps“ und The Hirsch Effekt steigen mit „Kris“ unerwartet ins Rennen. Melodisches Trommeln, sich aufbauend und geradezu behutsam agiert man zuerst entfernt vom Mathcore. Es türmen sich nach und nach Instrumente, vervollständigen das Bild, bis sich ein klarer Beat herauskristallisiert und letztendlich doch das wahre Gesicht der Band offenbart. Ein Break, untypisch für die Truppe in seiner Ausführung, der dem Hörer die Gewissheit gibt, dass es sich doch um das neue Album von The Hirsch Effekt handelt. Wo die Verse des Openers sich geradezu milde zeigen, wird der Fokus auf die Texte gelegt und mit einem catchy Chorus serviert. Abwechslungsreicher per se, drückend und ernst aber hinsichtlich der Stimmung und mit den Norwegern Leprous liebäugelnd, ist es die Song-eigene Dynamik, die „Kris“ nach Vorne bringt.
… zeigen viele Facetten auf „Kollaps“…
„Noja“ ist dagegen wieder mehr das, was man aus Hannover erwartet. Technisch versiert, aggressiver dargeboten und treibend umgesetzt, stehen dissonante Töne im Vordergrund und man nimmt die Rap-Passagen nur unterschwellig wahr. „Bitte nur keine Panik“ vernimmt man, was zuversichtlich und dennoch verstörend zugleich wirkt. The Hirsch Effekt glänzen mit einem Vocalpart, der schöner nicht dargeboten werden kann. Grooves der Sonderklasse, Blast Beats und massive Wände sollen „Allmende“ auszeichnen. „Domstol“ greift dies auf, legt an Abwechslung noch zu, was dem Hörer schmecken sollte. Gewisse Ängste sollten weichen, denn The Hirsch Effekt finden ihr Element wieder. Eine Verkettung von Rhythmen, Textpassagen wie „Erzähl uns von früher, als noch mehr Zeit übrig war“, legen dar, dass The Hirsch Effekt immer noch das sind, was sie zu einer der spannenden Bands macht.
… und beenden das Album mit einer beklemmenden Stimmung
Mit Meshuggah-ähnlichen Rhythmen geizt „Deklaration“ nicht und durch die Einbindung eines Cellos zeigt sich das Trio erneut von der experimentellen Seite. „Billen“ stampft sich durch die Songlänge und beweist, dass The Hirsch Effekt es sehr wohl verstehen, Rammstein in gewissen Momenten zu adaptieren, The Dillinger Escape Plan aber als leuchtendes Vorbild bei dissonanten Klängen und Rhythmen-Attacken anzusehen. Eine bedrückende Atmosphäre macht sich beim Titelsong breit, „Agera“ ist apokalyptisch und beklemmender kann ein Album nicht enden. The Hirsch Effekt wissen, wie man den Hörer fesselt und ihm gleichermaßen eine Gänsehaut beschert. „Kollaps“ zeigt, dass The Hirsch Effekt in ihrem Kosmos sehr wohl die Facette ändern kann, jedoch dabei nichts hinsichtlich des Tiefgangs und der Schwere einbüßen muss. Vielmehr hebt man den Sound auf ein neues Level und besticht durch Klänge, die bis dato so noch nicht zu vernehmen waren. Eine Band, die man nicht kategorisieren oder vorhersehen kann. Unser Album der Woche!