Ein letztes Mal wollen wir uns mit Machine Head und ihrem neuen Brecher „Bloodstone & Diamonds“ beschäftigen. Ein letztes Mal versuchen wir die Energie der Sache in Worte zu fassen und ein letztes Mal sind wir sprachlos. Wir präsentieren kurzerhand – erneut exklusiv – unseren Eindruck vom kommenden Album der Band aus Oakland. Wer nun neidisch sagt „wieso haben die Dödel das Album schon?“, dem sei gesagt, dass dieses ab Freitag bei uns zu erwerben ist. Und es ist auch nicht zu viel versprochen, wenn wir behaupten, dass man hier eventuell das wichtigste Album des Jahres 2014 vorliegen haben könnte. Attacke!
Beneath The Split
Groovig beginnt „Beneath The Split“, der vom Tempo her eher im Bereich „langsam“ anzusiedeln ist. Mit seinen 4:44 Minuten Laufzeit, hat man aber sich keinen Schnarcher vorliegen, sondern vielmehr ein episches Stück. Kurzes Break bei rund 35 Sekunden, bevor Flynn gemächlich und mit einem hallenden Effekt sein Stelldichein gibt. Der Takt bleibt, das Schwingende auch, doch eine offensichtliche Vordergründigkeit kommt im Refrain zum Tragen, der man sich nicht entziehen kann. Im Mittelteil verzichtet man auf fette Soli, sondern arbeitet sich still und leise nach voran. Und hier ist sie auf einmal wieder: Die zischende Stimme des Frontmannes, der leidet, faucht und streckenweise an ein wildes Tier erinnert. Aber so ganz ohne die hohe Gitarrenkunst schaffen es dann Machine Head doch nicht. Mit einem Solo – wenn auch dezent im Vergleich zu anderen – läutet man die Endphase des Songs ein.
In Comes The Flood
Der absolute Favorit auf dem Album ist aber sicherlich „In Comes The Flood“. Still, leise und geradezu bedächtig startet man. Streicher setzen ein, schaffen eine intime Atmosphäre, welche durch einen Frauenchor zur Perfektion getrieben wird. Wer bitte kommt auf solche geilen Intros? Streicher kämpfen sich nach vorne, wirken offensiver um dann der Band wieder die Bühne frei zu machen. Genau bei 1:15 Minute bricht die Hölle los. Wenn dies nicht Kalkül ist. Aber sei es drum, denn hier passt alles. Stampfend geht man in die erste Strophe und direkt hat man eine Armee vor seinem geistigen Auge, welche sich durch den Matsch des Kriegsschauplatzes kämpft. Gerade zu melodisch fällt der Refrain aus, welcher durch Background-Vocals der restlichen Mitglieder ungemein an Nachdruck gewinnt. Break! Geballer! Und dann diese filigrane Gitarrenarbeit, welche sich in die Gehörgänge bohrt. Keine dicke Hose, sondern mit einer Saite gespielt, schafft man epische Momente, die letztendlich einem Solo weichen. Vor allem die fette Arbeit am Drum durch Dave McClain besticht, wenn auch der Rest Lorbeeren bekommen sollte. Ungemein eingängig und durch Streicher geradezu leichtfüßig arbeitet man sich nach vorne. Das Finale ist wie der Beginn des Songs wieder marschierend. Unfassbar fetter Song!
Damage Inside
Er spricht andächtig und dabei soll es auch bleiben. Robb Flynn hat den Dreh raus, wie man Abwechslung auf einem Album unterbringt. Sicherlich ist „Damage Inside“ nun nicht der Kracher, wie er vielerorts eventuell gewünscht wird, aber dennoch stark. Durch seine Position auf dem Album und den vorherigen Songs ist das Lied geradezu ein Ort der Stille. Keine Hektik, fließende Gitarrenarbeit und der komplette Verzicht auf Bass und Drum zeigen auf, dass die Nummer wohl nie live dargeboten wird. Aber muss auch nicht der Fall sein, denn „Bloodstone & Diamonds“ ist ein Album, welches man im Ganzen anhören sollte und vielleicht auch muss. Gekonnter, wenn auch nicht überragender, Song.
Game Over
Ja haben die Herren nun den Verstand verloren? Ist das nicht eine astreine Punk-Nummer. Gitarrenarbeit, wie man sie auch bei Hardcore-Bands vorfindet. Aber die Sympathie zu Ignite und Co sollte seit dem Cover „Our Darkest Days“ bekannt sein. Lediglich Demmel und Flynn geben ihr Bestes. Break, Schlagzeug und Intensität. Mit ebenfalls über 6 Minuten hat man Zeit sich der Sache hinzugeben und schafft nach 1:30 Minuten, dass die komplette Band sich an der schmissigen Nummer beteiligt. Geradezu rotzig und frech kokettiert man mit Genre-fremden Rhythmen und Techniken. Aber wer kann der kann! „Game Over“ entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit zu einem fetten Partykracher, welcher auf die Trademarks von Machine Head aber nicht verzichten muss. Sei es das Solo oder der Mittelteil, welcher Machine Head-typisch auffährt, man will sich nicht verkaufen und schon gar nicht unter Wert. Der Song endet mit einem nackenbrechenden „Game Over“, was immer und immer wieder wie ein Vorschlaghammer auf einen niedergeht.
Imaginal Cells
„Imagine Cells“ ist ein rein instrumentaler Song, welcher mit Gesprächsfetzen durchzogen ist. Von Klimawandel ist hier die Rede, aber auch von der Überbevölkerung unseres Planeten. So ziemlich alle weltpolitischen Themen werden angesprochen. Mit einer im Hintergrund stehenden Musik unterlegt, zeigen sich Machine Head von einer nachdenklichen Seite. Man muss zuhören, um die Aussagen zu verstehen und ja, man kann sich die Zeit auch nehmen. Aus akustischen Gitarren werden später verzerrte. Aus einem sporadisch eingesetzten Schlagzeug und dem fehlenden Bass eine vollwertige Band, die sich aber nie in den Vordergrund drängt, sondern die Message des Songs bestehen lässt. Sicherlich sind politische Aussagen immer eine zwiespältige Sache, aber wenn man ehrlich ist, dann kann man sich auch partiell mal mit den Problemen dieser Tage auseinander setzen. Der Vorwurf des Lückenfüllers zählt somit also nicht.
Take Me Through The Fire
Und da ist es schon. Das Ende und der Schlusssong von „Bloodstone & Diamonds“. Was soll man sagen? Ein lachendes und ein tränendes Auge sind das Resultat, bevor man in die letzten 5 ½ Minuten startet. „Take Me Through The Fire“ kann typischer für Machine Head nicht beginnen. Ein letztes Mal perfide Arbeit, ein letztes Mal werden alle Register gezogen und ein letztes Mal feuert man bei den Strophen alle Raketen in den Machine Head-Himmel. Die Refrain betört durch eine bissige Mischung aus Melodie und Härte, was vor allem durch das eindringliche „Take Me Through The Fire“ an Gewalt und Aussage gewinnt. Der Mittelteil wird durch die hohe Kunst des Schlagzeugspiels eingeleitet und angestachelt ziehen die restlichen drei Musiker mit. Solo hier, schicker Basslauf da und ja, da sind die wieder die salvenartigen Riffs, das obligatorische Solo und ein regelrechtes Aufbäumen, als ob man sagen möchte „letzter Song und der soll nachwirken“. Perfekter kann ein letzter Song fast nicht ausfallen. Das tränende Auge weicht und zurück bleibt ein glücklicher Hörer, der nun zu 150% auf „Repeat“ drücken wird.