Paradise Lost und das Album der Woche bei EMP? Kann das sein? Hat man die Band nicht um die Jahrtausendwende abgeschrieben? Ja, hat man vielleicht, aber seit einigen Jahren sind sie wieder am Start im alten Glanz. Und das neue Werk „Obsididan“ ist wohl das, was man einen Höhepunkt in der Diskografie nennen muss. Aber lest und überzeugt euch selbst!
Mit Paradise Lost ist das so ne Sache. Man hat die Band in den Anfangstagen gefeiert und geradezu in den Himmel gelobt. Und dann drehte sich die Band musikalisch. Was dies für die Fans bedeutete kann man heute nur noch als „Arschtritt“ bezeichnen. Zugegeben, dies ist eine harte Formulierung und ja, „Icon“ ist heute noch legendär, aber genau schmerzt „Host“ und „Believe In Nothing“ bei manchen Fans der ersten Stunde. Da hilft auch nicht der Umstand, dass der Verfasser dieser Zeilen jedes Album der Band gut findet. Man muss aufgeschlossen sein, aber dann eben doch sehr um dies gut zu heißen, was Paradise Lost um die Jahrtausendwende veröffentlicht haben. Manchen Fans war dies einfach zu elektronisch und zu wenig Gothic. Dabei sind die Herren aus Halifax immer aufgeschlossen gewesen und haben dies auch gebetsmühlenartig thematisiert. Aber so manche Band hat Fans über die Jahre hinweg verloren.
Nach dem Abstieg kam die Band wieder – und wie
Mit „In Requiem“ aus dem Jahre 2007, „Faith Devides Us – Death Unites Us“ und „Tragic Idol“ erspielte man sich wieder die Fans von damals zurück. Sofern sie noch dem Metal aufgeschlossen gegenüber standen. „The Plaque Within“ und „Medusa“ sollten geradezu wieder an alte glorreiche Tage anschliessen. Und selbst auf der Bühne absolvierten die Herren um Nick Holmes wieder das, was man von ihnen erwartete. Großartige Shows mit viel Energie, Willen und einer Setlist, wie man es sich eben nur wünschen kann. Mit „Obsididan“ erscheint nun das sechzehnte Album in 32 Jahren Bandgeschichte. Halifax wird erneut zu einem dunklen Ort, denn Paradise Lost haben bereits mit den Vorab-Songs verdeutlicht, dass sie es erneut wissen wollen. Eine Finsternis machte sich breit, die betörend schön ist und dennoch einem die Nackenhaare aufstellen ließ. Doch kann das neue Album von Paradise Lost dieses Level halten. Wir hören genauer hin.
Paradise Lost fahren wohl ihr bestes Album auf
Bereits der Opener „Darker Thoughts“ macht klar, dass Paradise Lost sich nicht herzlos an das neue Album gesetzt haben. Mit Streichern ausgestattet, der Hast entfliehend und mit Nick Holmes, der sich in bester Verfassung zeigt, ziehen die Schatten auf. Bassist Edmondson setzt Note für Note an, lässt sich von Dummer Väyrynen begleiten und man kann es kaum erwarten, bis sich Machintosh und Aedy mit den Gitarren beteiligen. Einzigartig, ergreifend und mit derart viel Tiefgang ausgestattet, erlebt man Paradise Lost bereits beim Opener. „Fall From Grace“ kann nahtlos anknüpfen, wenn auch Holmes mehr mit seiner Stimme arbeitet. Zwischen bittersüß und bedrohlich wechselt der Mann und zeigt, dass er sich seiner Stimmgewalt bewusst ist. „Ghosts“ ist dagegen fast schon tanzbar und reiht sich mit einem 80er-Jahre Goth-Gewand dennoch herrlich ein. „Forsaken“ sägt, „Ending Days“ schwelgt in Melancholie und „Hope Dies Young“ fesselt.
„Obsididan“ ist ganz großes (Gothic-) Theater
Paradise Lost hauen mit „Obsididan“ ein fabelhaftes Album raus. Eines, welches nicht durch lärmende Wände überzeugt, sondern mit einer tiefen Melancholie. Diese entlädt sich punktuell und in einer betörenden Schönheit. Gespickt mit Akzenten wie einem befreienden Gitarrensolo bei „Ending Days“ oder der Tatsache, dass man per se auf Kitsch verzichtet. Man arbeitet mit Tiefe, schafft Klangwelten und zeigt sich fragil. Paradise Lost waren schon immer eine starke Band, was sie aber 2020 abliefern ist der Beweis dafür, dass die Briten nie besser waren. Wer der Musikrichtung Gothic skeptisch gegenüber steht, sollte den Mut aufbringen und sich dieses Album anhören. Fans werden eh bedenkenlos zum „Album der Woche“ zugreifen!