Opeth liefern das Album der Woche ab. Ja, die einen werden abwinken und behaupten, dass dies nicht sein kann. Aber „In Cauda Venenum“ ist ein Koloss von Album. Und zur Freude mancher (alten) Fans zugänglicher als die letzten Alben der Schweden. Lest aber selbst!
Opeth haben sich nicht immer einen Gefallen getan mit ihren Veröffentlichungen. Legendär sind die Anfangstage und Alben wie „Orchid“, „Morningrise“ oder „My Arms, Your Hearse“ sind das, was man als wegweisend bezeichnen muss. Auch das 1999er-Album „Still Life“, sowie „Blackwater Park“ werden gerne genannt, wenn es um erstklassige Veröffentlichungen von Opeth geht. Was Mikael Åkerfeldt hier gezaubert hat, sucht seinesgleichen. Klar aus dem Death Metal kommend, haben sich aber Opeth über die Jahre hinweg verändert. Eine Veränderung, die man einer Band gerne einräumt, jedoch ging sie streckenweise zu Lasten der Fans. Verwerflich? Mitnichten, aber im Umkehrschluss man sich eben auch Kritik dann gefallen lassen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und wieso sollte sich dies in der Musikwelt anders verhalten? Ein Umstand, der das Lager spalten sollte. Auf der einen Seite Freunde des progressiven Rocks, auf der anderen Seite eben die Die-Hard-Fans erster Stunde.
Vom Death Metal zum Prog-Rock
Im Nachhinein einen genauen Cut zu benennen ist schwer. Man kann darüber streiten, wann sich Opeth musikalisch geändert haben. Gemeinsamer Nenner könnte aber „Ghost Reveries“ aus dem Jahre 2005 sein. „Watershed“ und „Heritage“ hatten wahrlich noch harte Momente, räumten aber auch schon das Feld, um Platz für progressive und psychedelische Momente zu machen. Diese Entwicklung sollte seine Hochphase in „Sorceress“ finden. Zu abgedreht den einen, zu einfallslos den anderen. Und immer wieder das andere Lager, welches Opeth in den Himmel lobte und Åkerfeldt gleichzeitig einen Thron bauen wollten. Eine Ausgangslage für ein neues Album, die nicht zerfahrener erscheinen konnte. Man zuckte zusammen, als „In Cauda Venenum“ angekündigt wurde. Musik für absolute Musiknerds oder doch wieder zurück zu den alten und vertrauten Klängen der Anfangstage? Die Tatsache, dass das Album sowohl in Englisch, als auch in Schwedisch erscheinen sollte, brachte nur noch mehr Komplexität in die Sache.
Opeth gehen zweisprachig vor
Ja und dann sickerten die ersten Infos durch: In zwei Sprachen aufgenommen und darüber hinaus ein Konzeptalbum. Manch Fan winkten schon ab, widmete sich wieder den alten Opeth-Platten ohne die Rechnung letztendlich mit Åkerfeldt selbst zu machen. Denn, und dies vorweg, „In Cauda Venenum“ ist metallischer als der Vorgänger „Sorceress“.
Geradezu extrovertiert, wenn man sich „Dignity“ (in Schwedisch „Svekets Prins“) nach dem Opener „Garden Of Earthly Delights“ („Livets Trädgård“) zu Gemüte führt. Ja, verkopft, vertrackt, technisch anspruchsvoll und wahrlich keine leichte Kost. Man kann und darf auch nicht von einer Hitsingle sprechen oder Mainstream-Klänge erwarten. Diese Zeiten sind wohl endgültig vorbei. Aber alleine diese unfassbare Gitarren-Arbeit, die derart aufgeschlossen, prägnant und zielgerichtet sich durch den Song zieht, lässt darauf schließen, dass der Vorgänger vielleicht auch Opeth selbst ein wenig zu viel „Prog-Rock“ war. Ein klarer Break nach rund 2 Minuten, sanfte Instrumentalisierung und diese durchdringende Stimme eines Åkerfeldt sind wegweisend. Ein auftürmende Stimmung, die dann durch Gesang geprägt wird, lassen bereits diesen Song zu einem bestialisch guten Song werden.
„In Cauda Venenum“ ist ein musikalischer Meilenstein
Auch die 8-Minuten-„Single“ „Heart In Hand“ („Hjärtat Vet Vad Handen Gör“) zeigt sich progressiv, aber durchweg eingängig und leicht bekömmlich. „Lovelorn Crime“ („Minnets Yta“) lebt durch Streicher und Piano-Klänge. Man fühlt sich temporär an The Beatles erinnert, was aber durch das einsetzende Gitarren-Solo wieder in den Hintergrund rücken soll. „Charlatan“ (im Schwedischen ebenso) verzückt mit einem derart vertrackten Spiel, dass selbst Meshuggah hier noch Nachhilfe-Stunden nehmen könnten. Ein Ambiente macht sich breit, welches wahrlich beängstigend ist. „In Cauda Venenum“ ist ein 70-Minuten-Biest, welches mehr Facetten nicht hätte auffahren können. Spannend, hypnotisch, magisch und gleichzeitig das, was man wohl als „Aufzeigen der technischen Fähigkeiten“ titulieren darf. Auf Schwedisch – für Åkerfeldt übrigens die Hauptversion – noch stimmiger und schlüssiger. Wer sich jedoch mit der englischen Sprache besser bedient fühlt, wird nur einen minimalen Nachteil haben. Ein Album, welches gehört werden muss.