Das Album der Woche erreicht uns dieses Mal von Nathan Gray. Dem ein oder anderen wird der Name was sagen. Für alle, die ein unfassbar schlechtes Gedächtnis für sowas haben, sei gesagt, dass wir vom Sänger von Boysetsfire sprechen. Die Band pausiert aktuell und Gray setzt kurzerhand sein zweites Soloalbum ab. Ein starkes Ding, welches Grenzen neu austariert und mit Mustern bricht.
Es ist das zweite Album von Nathan Gray, wenn man ungenau ist. Wenn man es genauer betrachtet, dann sein erstes, denn der Vorgänger lief unter dem Namen The Nathan Gray Collective und stellte einen Ausflug in die dunkle Wave-Bewegung dar. Keinesfalls schlecht, sondern vielmehr unerwartet, wenn man das bisherige Schaffen des Mannes anschaut. Wer allerdings die erste EP von Nathan schon kannte, der konnte sich mental drauf einstellen, was nun folgen sollte. Nun ist aber „Until The Darkness Takes Us“ schon seit einem Jahr auf dem Markt, der gute Mann sprüht aber vor Kreativität. Also was tun? Ein neues Album schreiben. Jawohl!
Nathan Gray hat Hymnen im Gepäck
Nathan Gray besinnt sich auf seinem Album „Feral Hymns“ wahrlich auf den Titel des Albums. Hymen gibt es zu genüge, wie bereits der Opener „As The Waves Crash Down“ eindrucksvoll verdeutlicht. Ein Song, der aus der Feder von Dave Grohl hätte stammen können. Aber Grohl würde nach dem Intro das Gaspedal durchtreten. Gray hingegen setzt auf eine verzerrte Gitarre und mehrstimmige Passagen. Minimal und doch so unfassbar druckvoll. Gezähmt und dennoch animalisch. Kontraste, die daher beruhen, dass trotz eines feinfühligen Gesangs Grays die Sachs immer nach „am Anschlag“ klingt und einen verwegenen Charme dem Album innewohnt. Gray ist ein Meister am Mikrofon und seine unverwechselbare Stimme schimmert über 12 Songs facettenreich. Da macht es auch nichts, dass er sich Songs von Boysetsfire und The Casting Out bedient. Wieso auch, wenn die Sachen aus seiner Feder stammen und nun in einem minimalem Korsett daher kommen.
… das Wichtige steckt im Minimalen
Gray hat sich in seinen Songs ausgelebt und agiert wahrlich nach dem Motto „weniger ist mehr“. Wo mancher Musikfreund heutzutage ein großes Augenmerk auf die Produktion legt und Songs dahingehend analysiert, welche Elemente noch fehlen, so setzt Nathan hier den Rotstift an. Bis auf das Mindeste reduziert man die Sachen und verzichtet auf eine fette Instrumentalisierung. Meist nur mit der Akustikgitarre vorgetragen, hier und da blitzt ein Piano oder eine Geige durch, aber stets ist die Stimme der Dreh- und Angelpunkt der Sache. Ein Umstand, der aufzeigt, dass großartige Musik auf ein Minimum reduziert eben auch funktionieren kann.
Melancholie und Pathos ole
Wer auf Melancholie steht, Singer/Songwritern nicht abgeneigt ist, oder sich eh als Boysetsfire-Fan bezeichnet, der wird hier wohl eines der wichtigen Alben des Jahres 2018 finden. Wem Pathos, rebellische Texte und ein bisschen Herzschmerz nicht zu viel ist, auch der sollte sich Nathan Gray und „Feral Hymns“ zu Gemüte führen. Nathan Gray klang nie ehrlicher und nie intensiver.