Millencolin geizen auf „SOS“ sicher nicht mit der guten Laune. Und trotzdem hat das neuste Werk einen nachdenklichen und streckenweise politischen Hintergrund. Wo alte Trademarks auf neue Töne treffen! Für die EMP Redaktion das Album der Woche.
Die ersten Sonnenstrahlen sind wieder zu verzeichnen und das Skateboard wird aus dem Winterschlaf befreit. Was würde den Frühlingsanfang noch harmonischer machen als ein neues Album on Millencolin? Nichts, richtig. Mit „SOS“ melden sich die Schweden wieder zurück. Rund drei Jahre nach „True Brew“ haben sich aus ursprünglich 30 Songideen 12 Tracks heraus kristallisiert, die nun den Weg auf das mittlerweile 9 Studioalbum gefunden haben. Insbesondere das Gespann Nikola Sarcevic und Mathias Färm waren die treibenden Kräfte, dass das Quartett wieder das abliefert, was es seit 1992 macht:
Millencolin sind und bleiben Millencolin
Klassisch geht es direkt mit dem Opener und Titeltrack „SOS“ ins Rennen. Der Titel ist symbolisch zu verstehen, denn trotz der schmissigen Nummer, wird die Botschaft dem Hörer direkt aufs Auge gedrückt. Ja, Millencolin sind immer noch Millencolin, jedoch haben sich die Zeiten geändert. Ungemütlicher ist es geworden in den letzten Jahren, wenn man sich das Weltgeschehen verinnerlicht. „The lights go out on tainted sky“, singt Sarcevics. Das Artwork mit dem Band-typischen Vogel, der jedoch Federn gelassen hat, ergänzen die Botschaft. Fun-Punk ade? Streckenweise, jedoch vergessen Millencolin ihre Wurzeln nicht. So ist „For Yesterday“ direkt eine Nummer, die ein Blick in die Vergangenheit der Band zulässt. Mit all den musikalischen Trademarks, die eben diese Truppe schon so viele Jahre ausmacht. Auch ein „Reach You“ greift alte Muster auf, ohne dabei zu langweilen. Vielmehr sind es eben diese vertrauten Klänge, die so oft den Griff zu einer Millencolin-Platte veranlassten. Mit „Nothing“ gibt es einen Ohrwurm der Extraklasse, „You You Want War“ treibt diese Stimmung noch weiter voran. Überraschungen gibt es also keine? Doch!
Und doch gibt es Veränderungen
Wer nun denkt, dass Millencolin immer wieder mit dem selben Stiefel ihren musikalischen Fußabdruck platzieren, der hat die Rechnung ohne die Jungs gemacht. So ist beispielsweise „Yanny & Laurel“ eine schmissige Nummer, die mit Vocoder-Einsatz arbeitet. Geradezu modern umgesetzt, was Trends auf YouTube und Co schon länger aufzeigen, arbeitet man sich voran. Und gleichzeitig erfolgt erneut ein Brückenschlag zu den alten Strukturen, wie erstklassige Punk-Riffs, melancholischer Gesang und dem wohldosierten Spiel mit verschiedenen Tempi. Und dann funkelt doch immer wieder eine pessimistische Stimmung durch, wie beispielsweise bei „Sour Days“, welche aber nicht den Grundtenor der Platte ausmachen soll. „So just give in. For this is not the end. Just accept that sour days are here to stay“, heisst es und ja verdammte Hake, es ist so. Man darf die Augen sicher nicht verschliessen, aber die Trübsal muss auch mal Aussen vor bleiben. Wenn nicht über die Spielzeit eines Albums hinweg, wann denn bitte dann?
SOS ist mehr als ein Album wie es schon oft veröffentlicht wurde
Millencolin sind nach vie vor ein Garant für erstklassige Songs, die an Melodien wahrlich nicht geizen. Man vergisst kurz den Alltag, sieht sich auf dem Skateboard wieder, auch wenn die müden Knochen dies schon lange nicht mehr zulassen. Und ja, „SOS“ ist ein Soundtrack, der eine gute Laune bereitet. Handwerklich zeigen Millencolin, wieso sie nach wie vor zu den Speerspitzen des Melodycore/Fun-Punk gehören. Wer auf die alten Platten der Band steht, der wird hier seine helle Freude haben. Auch neue Fans sollten die Schweden mit „SOS“ gewinnen, denn wo andere Bands seit Jahrzehnten auf der Stelle stehen, beweisen Millencolin, dass auch Altbewährtes neu vertont werden kann. Bombenstarkes Album!