Defeater? Wer ist denn das? Ja, den ein oder anderen mag die Band der Woche mit dem Album der Woche irritieren. Aber hey, wenn ihr mit Hardcore was anfangen könnt, dann solltet ihr die Band mal anchecken. Denn die Jungs machen Hardcore mit Melodien. Das neue Album „Defeater“ ist wahrlich ein starkes Ding.
Was haben wir doch die sogenannte Emo-Bewegung abgefeiert. Mit Sunny Day Real Estate und Co. Der Hardcore verschwand kurzzeitig von der Bildfläche, der Emo machte sich breit. Doch wie so oft im Leben hatte auch dieser nur eine bestimmte Hochphase. Was sollte danach kommen? Eine Frage, die sich so viele Musikfreunde schon gestellt haben. Sei es mit dem Einzug des Grunges, der den Metal vertrieb. Oder eben dem Emo, welcher um die Jahrtausendwende noch angesagt war, kurze Zeit später aber in Vergessenheit geraten sollte. Aus Boston sollte ein kleines Beben ausgehen, welches sich gebündelt als The Wave über die US-Grenzen hinaus breit machen sollte. Mit dabei waren Defeater. Aber auch La Dispute und Pianos Become The Teeth sollten hierbei eine Rolle spielen. Als Post-Hardcore oft deklariert, als Scremo auch bezeichnet, sollten die nächsten Jahre musikalisch hiervon geprägt werden.
Defeater – Album Nummer 5 ist komplett anders
Bisher haben Defeater vier Alben veröffentlicht. Von der musikalischen Weiterentwicklung abgesehen, sind Defeater eine dieser Bands, die sich immer auf ein bestimmtes Konzept eingelassen haben. Kurz gefasst, geht es immer um eine Arbeiterfamilie in der Nachkriegszeit in New Jersey. Diese sieht sich konfrontiert mit Dingen wie Sexismus, Rassismus und Homophobie. Einen Brückenschlag darf und soll der Hörer zur heutigen Zeit sicher schlagen. Hinsichtlich der Musik konnte man in den Anfangstagen von Hardcore bei Defeater sprechen. Aber schon beim Zweitwerk „Empty Days & Sleepless Nights“ sorgte man mit Akustikliedern am Ende des Albums für Aufsehen. Der Grund war offensichtlich, denn die fragilen Momente der Musik, wirkten akustisch noch zerbrechlicher. Mit „Abandoned“ verabschiedete man sich 2015, um kurze Zeit nach der Veröffentlichung mitzuteilen, dass Gitarrist, Produzent und Gründungsmitglied Jay Mass die Band Defeater verlassen haben. Wie so oft seien persönliche und kreative Differenzen der Grund hierfür gewesen.
Beim neuen Werk ist die Band im Fokus der Sache
Nun als das gleichnamige Album „Defeater“, welches noch mehr auf dem Prüfstand steht, als die bisherigen Alben. Der Weggang von Mass sitzt tief, doch die Band war auch noch mit gesundheitlichen Problemen und Drogenmissbrauch konfrontiert. Sind nun alle Dämme gebrochen und die Band vor dem musikalischen Exodus? Klar sollte auch sein, dass ein Titel wie „Defeater“ zum Ausdruck bringt, dass es nicht um die Arbeiterfamilie geht, sondern vielmehr das Konzept pausiert wurde. Der Fokus liegt bei der Band, von einer Therapie war die Rede und man wollte sich das Erlebte von der Seele schreiben. Dennoch verzichtet man nicht völlig auf einen tieferen Sinn. Alle Songtexte sind eine Hommage an den Schreiber J.D. Salinger und seine Glass-Familie. Und doch sind sie selbst reflektierend. Die 22 Songs wirken trotziger, strotzen vor Energie, Wut, Verzweiflung und streckenweise vor Hass. Man wuchtet sich in Rage, wütet und vergisst dennoch nicht, dass zarte Momente notwendig sind.
Der Opener „The Worst Of Fates“ rollt ins Album und zeigt auf, dass der Sound sich nicht maßgeblich verändert hat. Defeater sind immer noch Defeater. Nuancen sind zu erkennen, die auf einen anderen Produzenten schließen lassen. Aber ja, Will Yp (Quicksand, La Dispute und Title Fight) ist ebenfalls ein renommierter und retournierter Fachmann. Auffallend ist, dass Sänger Archambault besser eingefangen wurde. Er kristalliert sich nicht mehr so intensiv von den Musikern heraus und wirkt stimmiger. Man kann den Eindruck gewinnen, dass er dort angekommen ist, wo man vielleicht schon immer hin wollte. „Dealer/Debtor“ ist Punk-lastig, „Atheits In Foxholes“ wütend und Screamo-lastig. „Mothers’ Son“ hat die Größe eines Top-Hits mit seiner eindringlichen Melodie und ja, mit „All Roads“ zeigt man sich rockig.
Zwischen Punk, Rock und großen Melodien ist alles dabei
Die Bandbreite ist größer geworden, die Trademarks sind geblieben. Defeater haben mit „Defeater“ ein stimmiges und intensives Album abgeliefert, welches aufgeräumt wirkt, chaotisch hier und da blitzt, aber immer die Kurve wieder bekommt. Ein Meilenstein ist das neue Album, welches einen gebrochenen Derek Archambault aufzeigt, der aber laut eigener Aussage mitten im Leben steht. Mit seinen Noise-Teppichen und den zuckersüßen Melodien, ist dieses Album das, was man zweifelsohne als Highlight in der Szene deklarieren muss. Geiles Ding!