Alcest und das Album der Woche? Ja, auf jeden Fall. Auch wenn die Band immer wieder ihren Sound komplett auf Links gedreht haben, sind sie sich treu geblieben. „Spiritual Instinct“ ist ein griffiges und eingängiges Album, geizt aber keinesfalls mit progressiven Ausflügen.
Alcest sind wegweisend. Zumindest muss man dies den Franzosen immer wieder attestieren, wenn es um ein neues Album geht. Black Metal hier, Post-Rock da und dann noch atmosphärische Ausflüge, wie sie eben auch im Portfolio der Band zu finden sind. Im Jahre 2000 beschloss der damals 15-Jährige Neige, dass er hinter seine Schlagzeug bei der Band Peste Noire hervorkommen möchte um sich am Black Metal selbst auszuprobieren. Mit Aegnor und Argoth wurde daraus schnell ein Trio und die ersten musikalischen Gehversuche folgten. Alcest wurden schnell unter Vertrag genommen und so erblickte 2007 bei Prophecy das Album „Souvenirs d’un autre monde“. Und bereits bei diesem Debüt war Alcest weit von dem entfernt, was Neige eigentlich vor hatte: Kalten und rauen Black Metal zu spielen! Und gerade dies macht den Reiz der Band aus.
Alcest – Was bekommt man dieses Mal serviert?
OK, man muss mutig sein, wenn es um ein neues Album von Alcest geht. Wie bereits erwähnt, gab es einige stilistische Veränderungen und Entwicklungen. Eine Einschätzung, was also als nächstes folgt, ist per se nie machbar. So war „Kodama“ ein äusserst zugängliches Album, während „Shelter“ sich 2014 derart atmosphärisch zeigte, dass so mancher Fan sich wundern musste. Mit „Spiritual Instinct“ erscheint nun das sechste Studioalbum des Duos. Und bereits beim Opener „Les Jardins De Minuit“ zeigt sich die Band versöhnlich. Bekannte Klänge treffen auf den Hörer, der sehnsüchtig vor den Lautsprechern sitzt. Neige gibt sich stimmlich melancholisch und lässt Atmosphäre aufkommen. Die Gitarren-Arbeit unterstreicht dies. Stimmen überlagen sich, Black Metal-Gekeife schimmert immer wieder durch, ein Auftürmen an Emotionen und Stimmungen folgt. Der Sound erweist sich über die Spielzeit hinweg zu einem dichten Teppich an Riffs, Gesang, Drums und auch Klängen, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen.
Auf „Spiritual Instinc“ sitzt jeder Song
Auch „Protect“ huldigt den Wurzeln der Band. Mit Midtempo startend, peitscht der Song unverblümt nach Vorne, zeigt sich vertrackt und progressiv, um dann eine Wende hinzulegen. Zwischen Klargesang und Geschrei wechselnd, ist es der Kontrast, der diesen Song zu einem Juwelen macht. Auf der einen Seite glasklar, auf der anderen Seite als dunkles, fieses und tiefes Black Metal-Loch, spielen Alcest hier ihr Können derart gekonnt aus, dass man sich nur freuen kann. Massivste Riff-Wände treffen auf filigrane Passagen. Ähnlich geht es bei „Sapphire“ zur Sache, welches sich dezent zeigt und unter die Zunahme weiterer Instrumente zu einem schmissigen Song entwickelt. Enormer Groove-Faktor mit einer Eingängigkeit, die man von Alcest nicht immer serviert bekommen hat. Elektronische Facetten zieren „L’Île Des Morts“, Folk-Anleihen findet man bei „Le Miroir“ und der Titeltrack „Spiritual Instinct“ vereint kurzerhand Alles.
Diese Band bleibt wegweisend!
„Spiritual Instinct“ ist ein Meilenstein in der Bandgeschichte, aber auch für den Bereich, den Alcest bedienen. Gekonnt introvertiert und ein stückweit unnahbar spielen die Franzosen die komplette Klaviatur. Das 6. Album zeigt sich dabei etwas griffiger und eingängiger als vorherige Werke, bedient aber immer noch so viele Stile, dass man neidvoll auf die Band blicken muss. Mit einer Intensität vorgetragen, die seinesgleichen sucht, muss man Alcest als einzigartig bezeichnen. Zurecht unser Album der Woche!