A Perfect Circle haben sich 14 Jahre Zeit gelassen, ein neues Album zu veröffentlichen. Nun ist „Eat The Elephant“ da und ja, es ist ein Meisterwerk. Ein Album, welches über die jahrelangen Entzugserscheinungen hinwegsehen lässt. Unser Album der Woche bei EMP.
A Perfect Circle haben sich 14 Jahre Zeit gelassen. Ganze 14 Jahre. Alleine dies ist ein Grund, der Aufhorchen lässt. Was hat nun den Misanthrop Maynard James Keenan dazu bewogen, „Emotive“ einen Nachfolger zu spendieren? Läuft es mit dem Weinanbau nicht? Doch Langeweile, nachdem er seine unfassbar große – und dazu extrem skurrile – Villa verkauft hat? Fällt da einem Musiker die Decke auf Kopf? Man weiß es nicht und Keenan ist nun wahrlich auch nicht der Mann, den man mit solchen Fragen behelligen sollte. Der A Perfect Circle Fronter ist vielmehr der Inbegriff für „Genie und Wahnsinn“, welche bekanntlich eng beieinander liegen können. Aber wir wollen hier nun sicher keinen Musiker an den Pranger stellen oder ein Fass aufmachen, welches geschlossen doch viel runder rollt. Fakt ist und bleibt, dass Keenan eine Aura hat, die magisch wirkt. Eine Stimme besitzt, welche wohl zu einer der prägnantesten des Musikzirkus gehört. Aber ja, es hat 14 Jahre gedauert, bis man sich zu einem neuen Album durchringen konnte. Und dieser Umstand schmerzt trotz der Ankündigung von „Eat The Elephant“ immer noch sehr.
Nun doch keine Luftsprünge hinsichtlich des Albums?
Nun kann man natürlich Luftsprünge vollziehen, die Welt umarmen und sich ein zweites Loch freuen, dass A Perfect Circle es geschafft haben, sich aufzuraffen. Aber selbst als uns das Album zugesendet wurde, stellte sich eher Skepsis ein. In so vielen Punkten! Kann man nach 14 Jahren erneut den Zauber versprühen? Litt die Band und das kreative Gefüge darunter, dass man sich eventuell über die Jahre hinweg auseinander dividiert hatte? Und wieso erscheint nun ein Album von Keenans Seitenprojekt? Was ist denn das bitte für ein Timing, wenn man weiß, dass auch Tool sich aktuell im Studio befinden? Denn auch bei seiner Hauptband kann man unter Entzugserscheinungen leiden, wenn man dazu einen Hang verspürt. Es scheint, dass auch ein Nachfolger von „10,000 Days“ am Horizont erscheint, wenn man den Aussagen der Mitstreiter und bereits geladener Studiogäste Glauben schenken möchte. Egal, denn hier geht es um „Eat The Elephant“, dem vierten Album von A Perfect Circle!
Eat The Elephant hat eine andere Ausrichtung
Wer nun ein weiteres „Mer De Noms“ oder sogar ein Thirteenth Step“ erwartet, dem können wir direkt die Hoffnung nehmen. So groß diese Alben waren, so antiquiert sind sie nun auch, wenn man sie auf den musikalischen Prüfstand stellt. Nicht falsch verstehen, die Platten sind legendär und erfreuen sich nach wie größter Beliebtheit in meinem Hause. Jedoch, und so offen muss man sein, entspringen sie einer Ära, welche die Band mit „Emotive“ und „Amotion“ geradezu beendet hat. Man öffnete sich neuen Elementen, reduzierte die Gitarren und schreckte auch nicht vor orchestralen Passagen zurück. Ein Umstand, welcher nun bei „Eat The Elephant“ noch mehr zum Tragen kommt. Reduziert auf das Songwriting, angereichert mit der Überstimme von Keenan und einer Instrumentalisierung, welche selbst vor Pauken und Trompeten nicht zurückschreckt, wollen wir klarstellen, dass die ersten beiden Alben einen anderen „Härtegrad“ aufweisen. Aber Härte soll sicher kein Maß für Qualität sein, wie diese Band hier bestens beweist.
So ist „Hourglass“ wohl das Paradebeispiel für eine elektronische Ausrichtung, welche sich den Samples und Vocoder-Effekten verschreibt und dennoch so unfassbar episch daher kommt, wie es eben nur Maynard mit seiner Stimme schaffen kann. „Feathers“ ist Perkussion-getrieben und mutiert kurzerhand zu einer emotionalen Nummer trotz der Tatsache, dass die Gitarrenarbeit von Billy sich nur dezent einbringt. Depressiv, dunkel und zerbrochen wirkt Maynard, der wohl hier den Glauben an das Gute in der Welt völlig über Bord geworfen hat. Dem Gegenüber steht wohl die schrägste Nummer des Albums, welche auf den glorreichen Titel „So Long, And Thanks For All The Fish“ hört. Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“- Autor, A.d.R.) hätte sich geehrt gefühlt. Man darf einen geradezu gut gelaunten Keenan erleben, welcher ein „Hip, hip, hooray“ von sich gibt, dass man ungläubig auf die Boxen der Anlage starrt. Hat er dies eben wirklich gebracht? Der Inbegriff der Misanthropie? Der verstörte Mensch, welcher sich komplett abschottet und streckenweise hinter der Bühne Konzerte absolviert, damit man ja keinen Blick auf ihn erhaschen kann. Ja, hat er und man freut sich diebisch, dass Wunder geschehen können.
A Perfect Circle zeigen sich auch kritisch
Aber auch kritisch geht man an die Sache ran. Textlich verarbeiten A Perfect Circle wieder Probleme, die unsere Gesellschaft belasten. Seien es bigotte Menschen, die in „TalkTalk“ thematisiert werden oder „Disillusioned“, welches mit der Gesellschaft abrechnet, welche sich zu viel und zu lange vor den Bildschirmen aufhält. „The Doomed“ thematisierten die Kluft zwischen Arm und Reich und ja, man sollte sich die Texte der Band anschauen. Primär geht es aber um die Musik, welche seinesgleichen sucht und nicht von dieser Welt zu sein scheint. Über all den Facetten, die die Band nun an den Tag legt, kreist die Stimme von Keenan, welche zweifelsohne das Album in andere Sphären katapultiert. Ein Meisterwerk, wenn auch das Artwork verschreckt!