Hendrik hat keinen eigenen Blog, dann darf er natürlich unseren Missbrauchen! Viel Spaß dabei.
Wie ich zum Metal kam
Wir schreiben das Jahr 2006. Stolz wie Oskar spaziert der damals 12-Jährige Hendrik mit der Premium-Edition von Sidos „Ich“ aus dem Saturn, um sich die Platte später zu Hause in der Dauerschleife zu geben. Dem klein gewachsenen, schmächtigen Hendrik gibt diese Musik irgendwie einen Ausgleich zu den Strebern in der Schule. Und ein gewisses Maß an Zugehörigkeit bei den coolen Kids der Klasse, in der er mit Abstand der jüngste war, erhoffte er sich dadurch auch.
Heute, 2015 bin ich, Hendrik 21 Jahre alt, trage voller Stolz das Paul-Gray-Gedächtnisshirt, habe eine Frisur, die zu einem ordentlichen Studenten (der ich irgendwie trotzdem nicht bin) passt und trotzdem lang genug zum Headbangen ist, habe zwei Gitarren und einen Bass neben mir an der Wand hängen und höre genau in diesem Moment „Toxicity“ von System of a Down. Auf meinem Handy befindet sich zu 70% Metal, der Rest sind ausgewählte Hip-Hop-Künstler (Trailerpark, Alligatoah, 257ers, KIZ…) und einige Electro-Geschichten, die man auch hin und wieder mal hören kann. Auf meiner linken Wade sind die (für mich immer noch unspielbaren) Noten der Bass-Bridge von Slipknots „Surfacing“ inklusive Paul Grays Geburts- und Todesdatum kunstvoll eingraviert. Das einzige, was sich nicht verändert hat: Ich bin immer noch klein, schmächtig und der jüngste in meinem Semester ;-)
Doch wie kam es dazu?
Wie wurde dieser kleine, Hip-Hop hörende Junge zu einem etwas größeren, Metal hörenden jungen Erwachsenen? Die Antwort ist einfach: Einfluss. Etwa ein Jahr nach dem Kauf von „Ich“ (die Scheibe und einige spätere Sido-Alben habe ich auch noch) habe ich dann beschlossen, auf meine vermeintlichen Freunde zu scheißen. Sie haben es nicht mal wirklich gemerkt. Wir hatten bei uns in der Klasse zwei Lager, gegenseitig konnten wir gerade so den nötigen Respekt aufweisen. Ein guter Freund von damals, nennen wir ihn Jannis, hat einige Zeit vor mir das Lager gewechselt und war seitdem viel besser drauf, auch anderen gegenüber. Ich machte es ihm also nach – eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Nach einiger Zeit hatte ich mich in der Gruppe etabliert, nur eins war noch irgendwie falsch. Die Anderen hatten für Hip-Hop überhaupt nichts übrig, sie waren voll im Metal. Das passte irgendwie nicht. Jannis steckte mir dann irgendwann aus Spaß einen seiner Kopfhörer ins Ohr, um mich mit Metal zu quälen. Es lief „A Place for my Head“ von Linkin Park (damals waren die noch gut…) und entgegen unser aller Erwartungen war ich vollkommen begeistert von diesem Sound, so aggressiv und doch intelligent, einfach um ein vielfaches gehaltvoller als dieses Ghetto-Gelaber, das ich mir sonst gegeben hab.
Der Bann war gebrochen, Jannis deckte mich mit allem ein, was Linkin Park, Green Day, Disturbed, die Ärzte, die Toten Hosen und andere Bands damals zu bieten hatten. Dann holte er sich irgendwann eine Wii, mit Guitar Hero 3 und zwei Gitarren-Controllern. Und ich verarsche euch nicht, wenn ich sage: deswegen habe ich mir 2009 einen Bass gekauft! Der liegt mittlerweile auseinandergebaut im Keller, weil ich angefangen (und irgendwann aufgehört) habe, ihn neu zu lackieren. Seit 2011 habe ich nun einen schönen, eleganten aber lauten Ibanez. Dazu kam dann irgendwann noch eine Akustik-Gitarre, vor einem Monat habe ich dann noch eine E-Gitarre daneben gehangen. Ich spiele kein Instrument wirklich gut genug für eine Band, aber das ist mir egal. Ich spiele für mich, nicht für andere.
Nach einer kurzen Emo-Phase
zwischen 2008 und 2009, in der ich mich größtenteils von Bullet for my Valentine ernährt habe, lernte ich meine große Liebe so richtig kennen. In Guitar Hero 3 war bereits „Before I Forget“ von Slipknot drin, das habe ich 2008 schon wie Hölle gefeiert. Von Slipknot habe ich aber immer nur gehört, dass es einfach nur unmelodisches Geschrammel und Gebrüll sei. Trotzdem lieh ich mir irgendwann „Vol.3“ aus der Stadtbücherei aus – und habe mich direkt infiziert. Mittlerweile habe ich alle Slipknot-Alben, ein Slipknot-Tattoo (siehe oben) und spiele auf meinen Instrumenten vorwiegend Slipknot. Meiner Meinung nach ist diese Band einfach perfekt. Man kann gnadenlos ausrasten zu Songs wie „Spit it out“ oder man kann auch einfach mal melancholisch werden und nachdenken zu Songs wie „Circle“, „Snuff“ oder „Goodbye“. 2010 war ich also noch ein recht junger Slipknot-Fan. Da ich damals jedoch schon zu jeder Möglichkeit etwas von dieser Band auf dem Bass gespielt habe und Paul Gray eine große Inspirationsquelle für mich war/ist, hat mich sein Tod am 24. Mai unglaublich hart und unerwartet getroffen. Drei Tage lang habe ich gedacht, dass mein Vater mich nur verschaukelt hat, als er erzählte, das gelesen zu haben. Als ich dann wieder Internet hatte und auf YouTube die Pressekonferenz gesehen habe, konnte ich mich nicht mehr halten. Auf eine seltsame Art und Weise hat mich dieses Ereignis noch viel mehr mit der Band verbunden. Mittlerweile höre ich sie rauf und runter, ohne, dass sie jemals langweilig werden. Ist das nicht das Ziel eines jeden Musik-Enthusiasten?
Ende 2009 ereignete sich noch etwas: Mein Bruder mistete aus und fragte mich, als ich ihn besucht habe, ob ich ein paar von seinen CDs haben will. Ich schaute die Kiste durch und sagte ihm, dass ich davon nichts wirklich kenne. Beinahe fassungslos kramte er dann selbst in der Kiste rum und rüstete mich mit allerhand Stoff von KoRn, Limp Bizkit und System of a Down aus – seiner musikalischen Jugend. Diese Bands höre ich auch heute immer noch sehr gerne.
Eine wirklich lustige Geschichte gab es 2012 – ich war gerade 18 und hatte die letzte Fahrstunde vor der Prüfung. Mein Fahrlehrer war ein unglaublich cooler Typ, entspannt aber trotzdem ein guter Lehrer. Und er hatte immer einen guten Spruch auf den Lippen. An diesem Tag war er unheimlich angepisst vom Schüler, den er vor mir hatte und fragte mich, ob wir ausnahmsweise mal nicht Radio sondern seine Musik hören könnten. Ich befürchtete das Schlimmste, konnte ihm den Wunsch jedoch nicht ausschlagen (es war immerhin sein Auto). Er legte eine gebrannte, unbeschriftete CD ein – was folgte, war die geilste Fahrstunde aller Zeiten. Er war ein hardcore-Judas-Priest-Fan und zu dieser Musik Auto zu fahren, macht einfach Spaß. Eigentlich höre ich die älteren Metal-Geschichten nicht, aber das liegt einfach am persönlichen Geschmack…
Aber warum das Ganze?
Warum wurde ich innerhalb von nur zwei Jahren vom Hopper zum Metaller? Die Antwort wird jetzt etwas philosophisch. Metal gibt mir einfach unheimlich viel Kraft. Es gab schon einige Phasen in meiner jüngeren Vergangenheit, wo ich am liebsten alles hinschmeißen und mich irgendwo verschanzen wollte. Diese Genialität in der Musik, diese brachiale Gewalt und diese unfassbare Authentizität von Slipknot, KoRn und Co. haben mir in dieser Zeit so sehr geholfen, diesen Weg des Losers nicht zu nehmen, sondern weiter zu machen. Vor Slipknot war ich schüchtern und hatte quasi kein Selbstvertrauen. Mit Slipknot hat sich das geändert – Ich mag mich selbst mittlerweile sehr, behandle Leute so, wie sie mich behandeln und gehe zur Not mit diesem wunderschönen Fuck-You-Gefühl und der entsprechenden Arroganz an Leuten vorbei, die es nicht anders verdienen. Ob ich mein Tattoo am Bein irgendwann mal bereuen werde (so macht man das ja mit Tattoos…)? Ganz sicher nicht! Wenn ich könnte, würde ich am liebsten bei jedem Konzert, das ich sehe, einfach auf die Bühne springen und mitspielen. Metal macht Mut, Metal macht glücklich, Metal entspannt auf eine unentspannte Art und Weise. Ich liebe Metal!